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Die Katholische Kirche und der Nationalsozialismus

Stellt Euch vor, Ihr rollt eine blau-weiße Schalke Fahne auf der Schalker Fantribüne der Veltins-Arena aus. Eine Woche später steht ihr im Dortmunder Westfalenstadion und rollt dort dieselbe blau-weiße Fahne aus. Dieselbe Handlung? Wohl eher nicht, denn die Umstände sind völlig verschieden, sodass auch die scheinbar selbe Handlung unterschiedlich zu bewerten ist.

Eine recht banale Erkenntnis, leider jedoch notwendig, weil viele Menschen, die über unsere Vorfahren sprechen, welche in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben, allzu schnell vergessen, was es heißt, unter einer Diktatur zu leben. Wenn man also das Verhalten der Kirche im Nationalsozialismus verstehen und anschließend beurteilen möchte, so tut es Not, sich zunächst einmal die Rahmenbedingungen genauer anzuschauen.

I. Wie der Nationalsozialismus zur katholischen Kirche stand

"Christentum heißt die Parole zur Vernichtung der Pfaffen,
wie einstmals Sozialismus zur Vernichtung der marxistischen Bonzen."
(A. Hitler)

Vor 1933 haben die Kirchen im Denken Hitlers und seiner Partei kaum eine Rolle gespielt. Im Parteiprogramm von 1920 heißt es, dass Religionsfreiheit gewährt wird, soweit es nicht dem «germanischen Sittlichkeits- und Moralgefühl» widerspräche.

In einer Rede aus dem Jahre 1928 beteuerte Hitler, in seiner Bewegung könne ein Katholik neben einem Protestanten stehen, ohne dass einer von ihnen in Gewissenskonflikte mit seiner Religion käme. Kirchenfeindliche Exzesse wollte er aus machtpolitischem Kalkül vermeiden. So wurde beispielsweise 1928 A. Dintler aus der Partei ausgeschlossen, weil seine antikatholische Hetze der Partei schadete. Auch A. Rosenberg musste im «Völkischen Beobachter» ausdrücklich klarstellen, dass sein christentumfeindliches Buch «Der Mythos des 20. Jahrhundert» ausschließlich seine Privatmeinung vertrete, nicht jedoch für die Parteimeinung gehalten werden dürfe. Im privaten Kreis dagegen äußerte sich Hitler auf ganz andere Weise über die Kirchen und das Christentum. In einem privatem Gespräch mit dem damaligen Senatspräsidenten der Freien Stadt Danzig Hermann Rauschning aus dem Jahre 1933 sagte Hitler:

«Mit den Konfessionen, ob nun diese oder jene, das ist alles gleich. Das hat keine Zukunft mehr. Für die Deutschen jedenfalls nicht. Der Faschismus (gemeint ist Italien) mag in Gottes Namen seinen Frieden mit der Kirche machen. Ich werde das auch tun. Warum nicht! Das wird mich nicht abhalten, mit Stumpf und Stiel, mit allen seinen Fasern das Christentum in Deutschland auszurotten... Man ist entweder Christ oder Deutscher. Beides kann man nicht sein.»

Als Hitler 1933 an die Macht kam, überraschte er die katholische Kirche mit weitestgehenden Zusagen und Angeboten. In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 sagte er den Kirchen zu, «in Schule und Erziehung [...] den ihnen zukommenden Einfluss ein[zu]räumen und sicher[zu]stellen.» und nannte das Christentum das «unerschütterlich[e] Fundament des sittlichen und moralischen Lebens unseres Volkes». Den Worten ließ Hitler eine Tat folgen, indem er dem Vatikan ein Reichskonkordat anbot. Im Mittelpunkt standen dabei die Bekenntnisschulen (d.h. katholische und andere konfessionelle Schulen) und die Sicherung der Vereine. Die von Hitler beabsichtigte Beseitigung des politischen Katholizismus hatte sich zwar schon während der Konkordatsverhandlungen erledigt (das Zentrum kam einem Verbot der Partei durch Selbstauflösung im Juni 1933 zuvor), war aber wohl neben dem außenpolitischen Prestigegewinn das Hauptmotiv Hitlers für den Abschluss des Konkordats.

Mit zunehmender Herrschaftsstabilisierung konnte der Nationalsozialismus immer offener sein eigentliches kirchenpolitisches Ziel, die Kirche aus dem gesellschaftlichen Leben zu herauszudrängen, verfolgen. Auf der Höhe des Kirchenkampfes im Jahre 1937 sagte Kardinal Faulhaber, der Katholik in Deutschland stehe unter Ausnahmerecht. Die im März 1937 von den Kanzeln verlesene Enzyklika «Mit brennender Sorge» verurteilte öffentlich die zahllosen konkordatswidrigen Repressionen gegen die Kirche. Aus uns heute bekannten internen nationalsozialistischen Quellen können wir schließen, dass das Jahr 1937 einen Wendepunkt in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik bedeutete. Fortan sollte die Kirche nicht mehr nur aus dem öffentlichen Leben verdrängt, sondern gänzlich zerschlagen werden. Aus taktischen Gründen wollte Hitler jedoch Ruhe in der Kirchenfrage. Die Zerschlagung der Kirche sollte zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Gründe dafür waren:

Hitler sah, dass das Kirchenvolk treu zur Kirchenleitung stand - die Sittlichkeitsprozesse bewirkten das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollten. Einer Zerschlagung der Kirche musste vielmehr eine Aushöhlung zuvorkommen , die Hitler u.a. durch Einziehen des Kirchenvermögens, die Abschaffung des Zölibates und die Auflösung der Orden bewirken wollte. Zudem sollte der Zugang zum Theologiestudium erschwert werden.
Hitlers zunehmendes Interesse an der Außenpolitik und die außenpolitischen Kämpfe erforderten es, innenpolitische Unruhen möglichst zu vermeiden.

Über das Ziel, die Kirche zu vernichten, war man sich in der nationalsozialistischen Führung einig, umstritten war lediglich der Zeitpunkt. Hitler griff häufiger beschwichtigend gegen antikirchliche Exzesse ein, um innenpolitische Unruhen zu vermeiden. Als Martin Bormann 1941 das sofortige Erhängen des Münsteraner Bischofs von Galen forderte, lehnten Hitler und Goebbels dieses mit dem Hinweis ab: «dann haben wir Westfalen ganz verloren...» und «man muss Rache kalt genießen, nicht heiß.»

II. Wie die Kirche zum Nationalsozialismus stand
Bis Januar 1933 – eindeutige Ablehnung

Betrachtet man das Verhältnis der Katholischen Kirche zum Nationalsozialismus bis 1933, wurde der Nationalsozialismus in eindrucksvoller Geschlossenheit abgelehnt. In allen Diözesen des Deutschen Reiches war es den Katholiken verboten, Mitglied der NSDAP zu sein.

Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Bewegung war nötig geworden, nachdem die NSDAP im September 1930 größere Stimmenanteile gewonnen hatte und somit zu einem gesellschaftlichen Faktor aufstieg, mit dem sich auch die Kirche beschäftigen musste.

Die von der Kirchenleitung festgestellten unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus lagen in der Rassenideologie und der nationalsozialistischen Kulturpolitik. In der Erklärung der Paderborner Kirchenprovinz vom 10.03.31 heißt es mit Blick auf den § 24 des Parteiprogramms:

«Er macht das Gefühl einer Rasse zum Richter über religiöse Wahrheiten, über Gottes Offenbarung und über Zulässigkeit des von Gott gegebenen Sittengesetzes. In seiner letzten Konsequenz leugnet er den universalen Charakter der katholischen Kirche. Das Reich Christi gilt uns Katholiken aber als international, universal, katholisch. ... so ist für katholische Christen die Zugehörigkeit zur NSDAP unerlaubt, solange und soweit sie kulturpolitische Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind.»

Die Haltung der Bischöfe verfehlte ihre Wirkung im Kirchenvolk nicht. Mit Ausnahme von wenigen zu vernachlässigenden Grenzregionen lagen die Wahlergebnisse der NSDAP in katholischen Gebieten weit unter dem Reichsdurchschnitt. Die Immunisierung der katholischen Wähler durch die Kirche ist um so höher zu bewerten, als sie auch für Bauern und Mittelständer galt, zwei Schichten, die sonst zur Hauptgruppe der Hitlerwähler zählte. Bis 1933 kann also von einer geschlossenen Ablehnung der Nationalsozialisten durch den Katholizismus gesprochen werden. Der Ablehnung des Nationalsozialismus durch die Katholiken im deutschen Reich sei beispielhaft am Wahlverhalten der katholischen Bevölkerung Paderborns gezeigt werden. Betrug der Reichsdurchschnitt der NSDAP bei den Reichstagswahlen am 06.11.1932 33 %, so erhielt sie in Paderborn nur 9,5 % der abgegebenen Stimmen. Das katholische Zentrum erhielt dagegen 68,2 % der Stimmen bei einem Reichsdurchschnitt von 11,9 %.

Die neue Situation – Wende im Februar 1933

Eine Wende der katholischen Position trat im Januar 1933 ein; dem Jahr, in dem die NSDAP Regierungsverantwortung übernahm. Die Kirche stand vor einer neuen Situation, da sie sich gemäß Kapitel 13 des Römerbriefs trotz des ideologischen Gegensatzes zur Treue gegenüber der Staatsmacht verpflichtet sah. Zentrales Datum einer neuen Bewertung des Nationalsozialismus durch die katholischen Bischöfe war der sogenannte «Tag von Potsdam» am 24.03.1933, an dem Hitler in seiner oben zitierte Regierungserklärung der Kirche weitgehende kulturpolitische Zugeständnisse versprach und sich auf die christlich abendländische Tradition berief. Die Bischöfe antworteten auf dieses «Friedensangebot Hitlers», indem sie das Verbot für Katholiken, Mitglied der NSDAP zu sein, aufhoben. Sie schrieben:

«Ohne die in den unseren früheren Maßnahmen liegenden Verurteilungen bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzugeben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, dass die vorbezeichneten allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen.
Für die katholischen Christen, denen die Stimme ihrer Kirche heilig ist, bedarf es auch im gegenwärtigen Zeitpunkt keiner besonderen Mahnung zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit und zur gewissenhaften Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflichten unter grundsätzlicher Ablehnung alles rechtswidrigen und umstürzlerischen Verhaltens.»

Die wesentlichen Standpunkte der Kirche, wie sie in der Fuldaer Erklärung zum Ausdruck kommen, gelten für die ganze Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft:

Die katholische Kirche erkannte die nationalsozialistische Regierung als die rechtmäßige Obrigkeit an und leistete ihr staatsbürgerlichen Gehorsam. Das ist aus heutiger Sicht umso verwunderlicher, da der Kirche mit zunehmender Zeit die antikirchliche und menschenverachtende Praxis der Nationalsozialisten immer deutlicher vor Augen trat. Trotzdem hielt sie daran fest, jegliches umstürzlerische Verhalten gegenüber dem Staat zu verurteilen. So erreichte Hitler noch 1944 ein Telegramm von Seiten Kardinal Bertrams (Bischof von Breslau und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz), welches seine Freude über das Misslingen des Attentats auf ihn zum Ausdruck brachte. Staatsbürgerlichen Gehorsam leisteten die Katholiken auch in Hitlers Krieg. Katholisch motivierte Kriegsdienstverweigerung gab es praktisch nicht. Eine der ganz wenigen Ausnahmen war der österreichische Bauer Franz Jägerstätter. Seine Verweigerung wurde von seinem Bischof verurteilt mit der Begründung, Jägerstätter hätte sich als Bürger und Privatmann nicht für Handlungen zu verantworten, die in den Zuständigkeitsbereich der Obrigkeit fallen. Die moralische Verantwortung für den Krieg lag demnach ausschließlich bei den Politikern und nicht bei den Bürgern. Diese Haltung nennt W. Dirks «Weltbild-Defi-zit» bzw. «Politik-Defizit». Sie ermöglichte die heute so schwer verständliche Loyalität bei gleichzeitiger ideologischer Opposition. Die Kirche meinte, die Bedingungen christlichen oder kirchlichen Wirkens loskoppeln zu können von den gesellschaftlich politischen Gegebenheiten.

Auf der anderen Seite hielt die Kirche an ihrer Verurteilung der nationalsozialistischen Ideologie fest. Im Gegensatz zur Evangelischen Kirche drang auch kaum Nationalsozialistisches Gedankengut in den Innenraum der Kirche. Durch den gleichzeitigen Erhalt ihrer Institution wurde die Kirche so zum einzigen nichtgleichgeschalteten Ort im Dritten Reich, welcher der totalitären Herrschaft der Nationalsozialisten Grenzen setzte. In ihrer ideologischen und organisatorischen Selbsterhaltung gegen eine den ganzen Menschen fordernde Staatsmacht liegt ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

III. Drei Thesen an Fallbeispielen verdeutlicht
These 1

Die wohl größte Leistung der katholischen Kirche besteht darin, den katholischen Teil der deutschen Bevölkerung gegen nationalsozialistisches Gedankengut immunisiert zu haben. Das gilt vor allem für die nationalsozialistische Rassenlehre, welche die Menschen in minderwertigere und hochwertigere Rassen, in Sklaven- und Herrenmenschen einteilt.

Fallbeispiel 1: Katholiken als Systemfeinde, der Fall des Beamten Cohausz: «Ich diene Deutschland, nicht Hitler»

Alfred Cohausz wurde nach seinem Jurastudium und seiner Promotion im Jahre 1928 Hilfsdezernent in der Verwaltung der Stadt Paderborn. 1931 folgt die Beförderung zum Stadtsyndikus. Im Laufe der Jahre 1933-1936 wird er Opfer des Gesetzes zur «Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums» vom 07.04.1933. Ein Auszug lässt die Intention des Gesetzes unschwer erkennen:

§ 1 (1) Zur Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums und zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen aus dem Amt entlassen werden, auch wenn die nach dem geltenden Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen ...
§ 4 Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden ...
§ 5 (1) Jeder Beamte muss sich die Versetzung in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn, auch in ein solches von geringerem Rang planmäßigem Diensteinkommen ... gefallen lassen, wenn es das dienstliche Bedürfnis erfordert ...
§ 6 (1) Zur Vereinfachung der Verwaltung oder im Interesse des Dienstes könnten Beamte in den Ruhestand versetzt werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind. ...

Unliebsame Beamte konnten im Zuge der Gleichschaltung ohne große Schwierigkeiten versetzt oder entlassen werden; so auch Dr. A. Cohausz. Am 15.03.1934 wurde er aufgrund seiner antinazistischen Einstellung auf einen niedrigeren Posten versetzt.

Zwei Jahre später, am 29.06.1936 setzte sich seine Degradierung fort, indem er gem. § 6 «im Interesse des Dienstes» in den Ruhestand versetzt wurde. Was hatte er getan? – Als im August 1934 das Deutsche Jugendherbergswerk des Gaues Westfalen verlangte, die Herbergsmutter in Paderborn solle alle Kreuze aus den Räumen der Jugendherberge entfernen, verfasste Cohausz ein Antwortschreiben, in dem er das Ansinnen mit dem Hinweis zurückwies, dass die christliche Tradition in dieser Region verwurzelt sei und die Herbergsmutter nicht befugt sei, über städtisches Eigentum zu verfügen. Die Kreuze wurden zwar nicht abhängt, doch wurde dieser Vorfall der Gauleitung der NSDAP in Münster gemeldet.

Trotz vielfacher Aufforderung von Seiten parteitreuer Beamtenkollegen und Vorgesetzter, trat Cohausz unter Berufung auf seine Mitgliedschaft im Caritasverband und in der Vinzenzkonferenz nicht in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ein. Schließlich weigerte sich A. Cohausz an einer Veranstaltung des Pg(Parteigenosse) Münchmeyer teilzunehmen. Münchmeyer, evangelischer Pastor aus Bielefeld und einer der prominenten Nazis der Region aus der Anfangszeit der Partei, war einer der schärfsten Gegner der «vaterlandslosen Katholiken». A. Cohausz lehnte den Kauf einer Karte mit dem Hinweis ab, «er lasse sich nicht beleidigen».

In einem Bericht über die Kriegstauglichkeit Cohausz' kommt der wahre Grund seiner Entfernung aus dem Beamtendienst noch mal deutlich zum Ausdruck. Der Paderborner Bürgermeister Rudolf Kosiek schreibt am 05.12.38: «Durch seine fanatisch-katholische Einstellung hat er auch bis jetzt seine frühere Gesinnung nicht aufgegeben und muss wegen seiner scharf konfessionellen Einstellung als politisch restlos unzuverlässig gelten». In einem anderen Dokument der Personalakte schreibt Kosiek, Cohausz sei ihm genau bekannt und hätte «eigentlich im Jahre 1933 ins KZ gehört».

Die «politische Unzuverlässigkeit» Cohausz' wird bestätigte sich, als er die Möglichkeit im Rang eines Hauptmanns d. R. in die Armee einzutreten, mit den Worten ablehnte: «Nicht unter Hitler!»

Fallbeispiel 2: Zwangsarbeiter in Deutschland - Bevölkerung von Dahl (Bauern-Dorf bei Paderborn)

Die Vergangenheit ist vergangen und kehrt nicht mehr zurück. Das einzige Mittel des Historikers, die Geschichte zu rekonstruieren, zu erfahren, «wie es gewesen ist», sind die sog. «Quellen», auf die er angewiesen ist. Bevor jedoch eine Quelle Auskunft über die Vergangenheit gibt, wird geprüft, ob sie glaubhaft ist. So wird bspw. eine offizielle Erklärung der SPD über die Arbeit von G. Schröder ungleich positiver ausfallen als ein Papier der oppositionellen CDU. Wenn wir nur von katholischen Priestern und gläubigen Katholiken hören würden, dass die katholische Kirche im Nationalsozialismus bedrängt und verfolgt wurde, andere Quellen zu diesem Thema aber nichts sagen würden, so wäre diese Aussage mit Vorsicht zu genießen.

Vor diesem Hintergrund der Quellenkritik bilden Aussagen der Nationalsozialisten über die Kirche eine besonders wertvolle Quelle. Lange unbeachtet blieben zu unserem Thema die Sicherheitsberichte der Geheimpolizei, des sog. SD. SD bedeutet «Sicherheitsdienst» des Reichsführers SS (Heinrich Himmler). Der SD war der Nachrichten- und Abwehrdienst der Regierung und hatte die Aufgabe, mit Hilfe seiner Agenten und Spitzel politische und religiöse Organisationen zu bespitzeln, die Stimmungen im Volk zu erforschen und regelmäßige Lageberichte («Meldungen aus dem Reich») an die Parteispitze zu übermitteln. Die Ablehnung des nationalsozialistischen Rassenwahns durch weiter Teile der katholischen Bevölkerung kommt in der folgenden Quelle deutlich zu Ausdruck.

Zur historische Quelle:

Nach verschiedenen Rassengesetzen der Nationalsozialisten (Nürnberger Gesetze gegen die Juden, Verordnungen zu Zwangsarbeitern) wurde der Geschlechtsverkehr «minderwertiger Rassen», d.h. Slaven oder Juden, als «Blutschande» angesehen und stand unter Todesstrafe. Im kleinen Dorf Dahl bei Paderborn kam es dazu, dass eine deutsche Frau und ein polnischer Zwangsarbeiter miteinander intim waren. Wie dieses der Polizei bekannt wurde, wird nicht berichtet, vermutlich wurden die beiden denunziert. Der polnische Zwangsarbeiter namens Pieconicki wurde folglich zum Tode verurteilt und am 08.01.1942 erhängt. Ein Spitzel aus Dahl berichtet dann in einem Geheimbericht der SD-Stelle in Bielefeld über die Reaktion in der Bevölkerung:

«Die Exekution hat in den zum größten Teil kath. Bevölkerungskreisen der dortigen Gegend erhebliche stimmungsmäßige Auswirkungen gehabt. Schon etwa 10 Tage vor der Urteilsvollstreckung sprach man in der Bevölkerung von der zu erwartenden Maßnahme. Man bezeichnete sie als grausig. Je nach dem Grad der konfessionellen Bindung waren die Äußerungen mehr oder minder mit Angriffen auf die ausführenden staatlichen Organe verbunden. Zum allgemeinen Gesprächsthema gehörte es, dass der mit der Errichtung des Galgens beauftragte Schreiner sich standhaft geweigert habe, diesem Ansinnen nachzukommen. Vielfach wurde hervorgehoben, dass der Schreiner für dieses mannhafte Verhalten des göttlichen Segens sicher sein könne. Weiter wurde ausgeführt, man werde in Dahl an dem unheimlichen Ort nicht vorbeigehen können, ohne sich zu bekreuzigen. Für die arme Seele des Erhängten müsse man beten. Wie stark gerade in diesen konfessionell gebundenen bäuerlichen Kreisen die Reste alten Aberglaubens verankert sind, mag folgende Äußerung beweisen. Es sei zu befürchten, dass die Seele des Erhängten lange Jahre am Ort der Hinrichtung umherirre und die friedliche Bevölkerung beunruhige. Für die Einwohner Dahls sei es grausig zu wissen, dass in ihrem friedlichen Heimatdorfe ein so scheußliches Urteil vollzogen sei. Unglaublich wäre es ihnen bis dahin erschienen, dass es Menschen gäbe, die es fertig brächten, einen anderen durch Erhängen vom Leben zum Tode zu befördern. Der Stapo (die "Staatspolizei" führte die Hinrichtung aus) macht man den Vorwurf, dass sie sich nicht einmal durch ein in der Nähe stehendes Wallfahrtskreuz hätte von ihrem scheußlichen Vorhaben abhalten lassen.»

Soweit der Bericht des SD-Spitzels. Aus dieser Quelle wird deutlich, was die herrschenden Nationalsozialisten vom katholischen Glauben hielten (Aberglaube) und dass die katholische Bevölkerung sich resistent zeigte gegenüber der nationalsozialistischen Rassenlehre.

Dass die katholische Kirche von den Nationalsozialisten als einer ihrer Hauptgegner wahrgenommen wurde kommt in zahllosen Karikaturen der NS-Zeitung «Der Stürmer» zum Ausdruck.

Aus der Zeitung „Der Stürmer“, März 1938.

Stürmer-Karikaturen wurden im ganzen Reich in Schaukästen der Partei ausgehängt.

"Dem politischen Katholizismus. Sage mir, mit wem du Umgang pflegst und ich sage dir, wer du bist."

Der Stürmer, Nr. 23, Juni 1938, S. 7

Ein weiteres Indiz für die Gegnerschaft der Kirche gegen den NS, welches hier aus Platzgründen nur kurz erwähnt werden soll, ist die Kriminalstatistik aus der Zeit des NS. Demnach sind der katholische Klerus die Berufsgruppe, welche nach nationalsozialistischen Gesetzen die höchste Kriminalitätsrate aufweist. Die Straftaten der Priester bestanden in kleineren Straftaten wie gegen den NS gepredigt zu haben, die Beflaggungsvorschriften nicht eingehalten zu haben, Jugendarbeit zu organisieren oder ähnliche Vergehen. In einem totalitären und häufig willkürlichen System führten jedoch diese Kleinigkeiten nicht selten zu harten Strafen, schlimmstenfalls zum KZ-Aufenthalt. Im Konzentrationslager Dachau bei München gab es eine Baracke für inhaftierte Geistliche, in dem fast ausschließlich katholische Priester inhaftiert waren.

These 2

Obwohl die katholische Kirche es schaffte, weite Teile des katholischen Kirchenvolkes gegen den staatlich verordneten Rassismus zu immunisieren, erhob sie nicht ihre Stimme gegen die sich stetig verschärfende Diskriminierung und Vernichtung der Juden. Dieses Versäumnis der Kirche, «ihrem großen Bruder» dem Judentum zur Seite zu stehen, erfüllt die Kirche heute mit Trauer und Scham. Kirchlicher Antijudaismus und oft mangelnde Hilfeleistung angesichts der Judenverfolgung und Vernichtung sind jedoch ausdrücklich abzugrenzen vom vernichtenden Antisemitismus der Nationalsozialisten.

Fallbeispiel 3: Das Päpstliche Schweigen

Zur Beurteilung des päpstlichen Schweigens nur eine kurze Anmerkung, die sich als Warnung vor einer vorschnellen Verurteilung versteht: Der katholische Theologie-Professor Georg Maria Hoff, schreibt am 26.07.2016 in der Zeitung die ZEIT:

«Als am 16. Oktober 1943, einem Sabbat, SS-Truppen das jüdische Ghetto in Rom räumten, wurde Papst Pius XII. umgehend informiert. Es gab diplomatische Bemühungen im Hintergrund, die Juden zu retten, aber keinen offiziellen Protest des Vatikans. Wenige Monate vorher hatte Pius XII. nach einem alliierten Bombenangriff das christliche Stadtviertel San Lorenzo besucht – bis an die Grenzen des jüdischen Ghettos kam er nicht. Vorsicht spielte eine Rolle, Angst um die Unantastbarkeit des Vatikanstaates. Der Papst wollte die letzten Einflussmöglichkeiten auch zugunsten der Juden nicht verlieren. Am Ende wurden 1016 römische Juden nach Auschwitz transportiert, nur 16 überlebten. Ist es vorstellbar, dass ein Papst 1943 anklagend vor den Toren von Auschwitz erschienen wäre? Jeder Papst, der heute das Vernichtungslager betritt, weiß, dass er zu spät kommt. Zu spät für eine schwer zu fassende und bis heute nicht klar benannte Schuld, die traumatisch nachwirkt: für die Juden, für die jüdische Gemeinde Roms, aber auch für die Kirche. Weil das Schweigen Pius XII. sprachlos macht. (https://www.zeit.de/2016/32/vatikan-juden.)»

Dieses Zitat aus der ZEIT ist charakteristisch für eine oftmals einseitig anklagende Behandlung des Schweigen Pius XII., das «sprachlos macht». Was Herr Hoff nämlich außer Acht lässt ist folgendes: Zum Zeitpunkt der großen Razzia gegen die Juden Roms Oktober 1943 lebten dort etwa 9900 Juden. Etwa 1000 wurden festgenommen und deportiert, so wie Herr Hoff richtig schreibt. Von den Deportierten überlebten nur wenige, die meisten wurden in Vernichtungslagern ermordet. Auch richtig ist, wenn Herr Hoff schreibt, Pius XII. habe zu dieser Razzia geschwiegen. Leider versäumt es Herr Hoff aber zu erwähnen, dass durch die persönliche Intervention von Pius XII. die Klausur in den Klöstern zugunsten der Judenrettung aufgehoben wurde und Pius XII. durch sein Handeln somit 4500 römischen Juden vor der Deportation bewahrte! Die Frage nach der moralischen Verurteilung des päpstlichen Schweigens dürfte angesichts des rettenden Eingreifens des Papstes für die Juden Roms weniger eindeutig zu beantworten sein.

Wegbereiter des vernichtenden Antisemitismus?

Neben dem Schweigen der Kirche zur Vernichtung der Juden sieht sich die Kirche vor allem dem Vorwurf ausgesetzt, durch ihren latenten Antijudaismus zum vernichtenden Antisemitismus der Nationalsozialisten ihren Beitrag geleistet zu haben.

Fallbeispiel 4: polnische Katholiken angesichts der Judenvernichtung
zutiefst antijudaistisch, aber mitnichten antisemitisch

Zu der Frage, inwiefern die katholische Tradition des Antijudaismus zum Holocaust beigetragen hat, ist ein dazu sehr aufschlussreiches Dokument leider kaum beachtet worden. Es stammt von der polnischen katholischen Schriftstellerin Zofia Kossak-Szczucka. Frau Kossak war Schriftleiterin der Untergrundzeitung Prawda und Mitbegründerin der Zegota, die in den Jahre 42–45 um die 75.000 Juden vor der Vernichtung der Nationalsozialistischen Besatzer rettete.

Frau Kossak schreibt in der Ausgabe vom 5. Mai 1942 (ähnliche Aufrufe von ihr werden in den Jahren ab 1942 auch als Flugblätter verteilt):

Es hat sich so gefügt, dass wir passive Zeugen einer schrecklichen Tragödie wurden: der massenhaften, planmäßigen Ermordung der Juden durch die Deutschen auf dem Gebiet der Republik Polen. Tagtäglich erreichen uns die grauenerregenden Nachrichten. Tagtäglich kommen Tausende Menschen ums Leben: Männer, Frauen, Mädchen, Kinder, Säuglinge, Alte, deren einzige Schuld darin besteht, als Juden geboren worden zu sein. Die einen werden lebendig begraben, andere mit Gewehrkolben totgeschlagen, auf wieder andere richten sie Maschinengewehre, neuerdings wird Giftgas eingesetzt. Die Henker töten kleine Kinder, indem sie ihre Köpfe an Wänden oder Straßenbäumen zerschmettern...
…«zu Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Heulen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen...» (vgl. Mt. 2,18, Jer. 31,15). Die Prophezeiungen erfüllen sich, der Fluch, den die Juden in eigener Verantwortung auf sich geladen haben, wird Realität. «Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.» (Mt. 27,25) – Das Blut der Gerechten - ... Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich... - Mit grausamer Logik rächen sich an den Juden all ihre Taten. Niemand hat dem Christentum die Herrschaft in der Welt so erschwert wie sie, und so kommen sie als erstes um, weil Europa nicht christlich ist.

Der Ausschnitt bis hierhin zeigt typische antijudaistische Stereotype, sodass eine Unterstützung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik durch katholische Polen naheliegen würde. Daher mag es verwundern, dass der religiös motivierte Antijudaismus, wie er hier von Kossak ausgeführt wird, nicht zu einer Unterstützung der deutschen Vernichtungspolitik geführt hat. Im Gegenteil: trotz ihrer Abneigung gegenüber den polnischen Juden, die sie als Feinde Polens betrachtet, gründet Z. Kossak die Organisation Zegota, um zahlreiche Juden vor den deutschen Besatzern zu retten. Ihre antijüdische Prägung – wie soll man es nennen? Antijudaismus, Antisemitismus, Ablehnung des Judentums? - ist deutlich zu unterscheiden vom vernichtenden Antisemitismus der Deutschen. Das mag auf den ersten Blick verwundern, sollte jedoch zu einer differenzierteren Sicht auf das Verhältnis zwischen völkisch-biologistischem Rassismus und religiös motiviertem Antijudaismus führen! Die katholischen Polen waren in breiten Kreisen der jüdischen Bevölkerung gegenüber feindlich eingestellt, die Vorstellung jedoch, die Juden zu vernichten ist ihnen fremd, ja sie wehren sich aufgrund der christlichen Vorstellung der Feindes- und Nächstenliebe massiv dagegen. Insofern sind die vielen Gerechten unter den Völkern, die aus dem katholisch geprägten Polen hervorgegangen sind, ein Zeichen für die bei Katholiken weit verbreitete Resistenz gegen die nationalsozialistische Rassenideologie.

Kossek schreibt nämlich in ihrem bemerkenswerten Dokument weiter:

Zu Passivität gezwungen, müssen wir uns doch über die Tragweite der stattfindenden Tragödie im Klaren sein und dazu als Katholiken und als Polen Stellung beziehen. Es reicht nicht aus, für die Mordopfer zu beten und Mitgefühl für sie zu empfinden, wir müssen zugleicht unser Gewissen erforschen. […] Wenn sich angesichts dieses Unglücks, angesichts der vor ein paar tausend Jahren ausgesprochenen Prophezeiung vom Weinen Rahels ein Mensch fände, der fähig wäre zu sagen, es geschähe den Juden recht, und die Deutschen täten den Polen einen Gefallen, wenn sie die Juden ermorden – so hätte dieser Mensch es nicht verdient, Katholik genannt zu werden. […] In vielen Orten hat sich (sogar die polnische) örtliche Bevölkerung freiwillig an den Massakern beteiligt. Gegen eine solche Schande muss man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgehen. Man muss den Leuten bewußt machen, dass sie den Schergen von Herodes gleichen, man muss sie in der Untergrundpresse anprangern, zum Boykott der Henker aufrufen, man muss ihnen damit drohen, dass die frei Polnische Republik die Mörder streng richten wird.
These 3

Mit edler Gesinnung führten wurden viele Christen Teil eines verbrecherischen Krieges in Polen und Russland. Im Gegensatz zu einigen wenigen Gläubigen zog die Katholische Kirche den Krieg als verbrecherischen, ungerechten Krieg nicht in Zweifel. Diese Haltung der Bischöfe führte dazu, dass nahezu keine Opposition von katholischen Soldaten auch angesichts der Verbrechen an der Front entstand.

Fallbeispiel 5: Die Kirche und der Krieg – Der Soldat Hubert Keseberg

"Man mag uns verbieten,
unsere Ideen aber kann man nicht töten.
Wir sind und bleiben, was wir waren,
deutsch bis auf die Knochen,
katholisch bis ins Mark!"
(A. Kiwitt / Mai 1933)

Ein Jugendgottesdienst in der Marktkirche im Oktober 1941 wurde von der Gestapo zum Anlass genommen, einige der im Untergrund arbeitenden Aktivisten der 1937 verbotenen katholischen Jugendarbeit ausfindig zu machen und zu verhaften. Grund, die katholische Jugendarbeit auszuschalten, war der gescheiterte Versuch, die katholische Jugend in die Hitler-Jugend zu überführen. Man sah im Fortbestehen der organisierten katholischen Jugend die Gefahr, diesen Teil der Jugend für den Nationalsozialismus zu verlieren. Vorgeschobener Grund für die Auflösung des katholischen Jungmännerverbandes, der Dachorganisation der katholischen Jugendverbände im Erzbistum Paderborn waren die zahlreichen nichtreligiösen Veranstaltungen, i.e. «Wanderfahrten, Zelten und sportliche Spiele» . Die Auflösung bewirkte jedoch kein Erliegen der Jugendarbeit im Erzbistum. Stets am Rande der Illegalität oder darüber hinaus trafen sich die alten Gruppen weiter im privaten Kreis, wanderten «als Privatleute» oder fanden andere Nischen, sich zu behaupten. Die katholische Jugendarbeit war also «trotz Verbot nicht tot».

Ausdruck ihrer Selbstbehauptung wurde im Oktober 1941 die Teilnahme zahlloser Jugendlicher an den Gottesdiensten im Umfeld der Weihe des neuen Bischofs von Paderborn, Lorenz Jaeger. Am Sonntag nach der Weihe, am Christkönigssonntag, dem traditionellen Jugendbekenntnissonntag, suchten scharenweise katholische Jugendliche aus dem Erzbistum die Gelegenheit, dem neuen Bischof ihre Gefolgschaft zu bezeugen. Der Dom fasste nicht die große Zahl der Jugendlichen und immer wieder erklang der unverkennbar politisch gemeinte Ruf «Heil unserem Bischof!». «Einer, der die Knechtungen jener Jahre, die innere und äußere, die am eigenen Leibe wie die am Leibe der Jugend und der Kirche, nicht mitgemacht hat, kann heute diesen Drang zur Teilnahme an der Bischofsweihe, dieses tausendfache Kommen nach Paderborn, diese Begeisterung, dieses Heilrufen überhaupt nicht verstehen, missdeutet es vielleicht sogar.»

Das politische Signal, welches von dieser Feier ausging, wurde von den Nationalsozialisten verstanden. Sie handelten prompt: Durch einen Spitzel im katholischen Lager wurden der Gestapo Hauptstelle Dortmund Namen von katholischen Aktivisten übermittelt. Zu diesen zählte auch der damals 15-jährige Johannes Joachim Degenhardt aus Hagen und der Sauerländer Hubert Keseberg. Beide wurden nach dem Bekenntnissonntag verhaftet und bis kurz vor Weihnachten im Gestapo-Gefängnis Dortmund inhaftiert. Nach seiner Entlassung war es für J. J. Degenhardt fraglich, ob er weiterhin das Gymnasium besuchen dürfe. Der Einsatz eines Lehrers und seine überdurchschnittlich guten Zensuren gaben schließlich den Ausschlag, dass er seine Schullaufbahn fortsetzen durfte.

Wegen seines höheren Alters erhielt H. Keseberg im Gegensatz zu J. J. Degenhardt im April 1942 die Einberufung zum Militärdienst nach Höxter. In Briefen an seinen Freund Erich Berghoff schreibt er, sich zum «vollen "Ja" zum unbedingten Einsatz als Mannschaft des Volkes» entschieden zu haben. In einem späteren Brief verbindet er das Sterben als Soldat mit dem Märtyrergedanken:

«Lebten wir nicht unser ganzes junges Christenleben als Soldatenleben? Waren und sind wir nicht Soldaten im tiefsten Sinne? Litten wir nicht als Soldaten im Gefängnis? Ist Märtyrersein nicht Erfüllung und letzte Bestimmung eines Soldaten?! Unsere feldmarschmäßige Ausrüstung liegt bereit. Wann uns der Marschbefehl (für den Russlandfeldzug, Anm. PS) erreicht, wissen wir nicht.»

In diesem Abschnitt verschwimmt die Metapher des Soldatenseins aus dem 2. Timotheusbrief, einer sehr wichtigen Bibelstelle für die Jugend der 30-er Jahre, mit dem realen Soldatensein in der Wehrmacht. Man gewinnt beim Lesen der Briefauszüge den Eindruck, dass Keseberg die Tugenden des «guten Soldaten Christi Jesu» (2. Tim 2,3) auf die Wirklichkeit als Soldat der Wehrmacht überträgt. Diese Loyalität verwundert, wenn man bedenkt, dass Keseberg für den Staat in den Krieg zog, der ihn wegen seines katholischen Glaubens verfolgt und ins Gefängnis eingesperrt hatte. Diesen für uns, die wir diese Zeit nicht miterleben mussten, so offensichtlichen Widerspruch benennt der Zeitzeuge Josef Stemmrich in einem WDR-Gespräch 1980:

«Wir waren uns im klaren darüber, dass wir diesen Krieg nicht gewinnen durften. Wir standen also zusätzlich in der Schizophrenie, für einen Sieg kämpfen zu sollen und zu wollen und zu müssen, den wir um Gottes Willen nicht haben wollten, denn wir waren uns ziemlich im klaren darüber, was mit uns qua Kirche und qua Christentum geschehen würde, wenn der NS tatsächlich siegen würde... Wir kämpften in einem Krieg mit, den wir für unrecht hielten, und wir kämpften für einen Sieg, den wir unter keinen Umständen wollten, und wir verrechneten das gesamte als Schicksal. Schlussbemerkung dazu: So prägnant, wie ich das jetzt gesagt habe, hätte ich das damals vermutlich nicht sagen können - das ändert aber nichts daran, dass ich genau das gewusst habe, und dass das mein Bewusstseinsstand von damals war.»

In seinem bedingungslosen Ja zum Dienst in Hitlers Wehrmacht trotz Kirchenkampfes und Katholikenbenachteiligung, z. T. sogar Verfolgung, steht Keseberg exemplarisch für das Verhalten vieler deutschen, zum Kriegsdienst einberufenen Katholiken.

IV. Abschließende Bemerkungen

Eine Kirche, die nicht dient,
dient zu nichts.
(Bischof Jacques Galliot)

Vom spanischen Philosophen Spinoza stammt das Wort über den Sinn der Beschäftigung mit der Geschichte; man solle «die Taten der Menschen nicht verlachen, noch betrauern, noch verwünschen, sondern verstehen wollen.» (Humanitas actiones non ridere, non lugere neque de testari sed intellegere).

Konkurrierende Positionen der deutschen Bischöfe - Wozu ist die Kirche eigentlich da?

Zunächst ist festzustellen, dass die Kirche niemals Selbstzweck ist und werden darf. Sie ist geschaffen, um in der Zwischenzeit zwischen dem Ende des Wirkens des irdischen Jesus und seiner Wiederkunft am Jüngsten Tag Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes zu den Menschen zu sein (Lumen Gentium 1). Diese in den lehramtlichen Texten zugrundegelegte "Selbstdefinition" der Kirche findet in der dogmatischen Literatur eine genauere Bestimmung. Unterschieden werden dort die drei Grundvollzüge bzw. Handlungsfelder der Kirche: Martyria, Leiturgia, Diakonia (Würzburger Synode). Eine Wertung innerhalb dieser drei Grundvollzüge nimmt das Konzil insofern vor, als dass es die Liturgie und in ihr die Eucharistie als "Quelle" und "Höhepunkt" jeglichen kirchlichen Lebens versteht (Sacrosanctum Concilium 10). Man verstünde diesen Konzilstext aber falsch, wenn man die Liturgie in ihrer Wichtigkeit von den anderen Grundvollzügen isolierte, denn, so schreibt das Konzil weiter, "in der heiligen Liturgie erschöpft sich nicht das ganze Tun der Kirche." (Sacrosanctum Concilium 9) Auch wenn jegliches kirchliches Handeln seinen Mittelpunkt in der Feier der Eucharistie finden soll, treten die Verkündigung des Wortes Gottes als auch der Dienst an den Armen und Bedürftigen in der Welt als wichtige Aufgaben der Kirche neben die Liturgie (Lumen Gentium 8). Im Gegensatz zur Liturgie zielen diese beiden Aufgabenfelder der Kirche über ihren Innenbereich hinaus nach außen. Der Dienst an den Armen und die Verkündigung der Frohbotschaft sind Dienste der Kirche für die "Welt".

So unumstritten die Gleichwertigkeit dieser drei Aufgabenfelder heute sein dürfte, so heftig wurde in den deutschen Bischofskonferenzen des dritten Reiches um die Gewichtung der Aufgabenfelder gestritten. Das Bertramsche Konzept des "Sakristeichristentums", stellte die primäre Kirchenaufgabe in ihren Innenraum. Das Kämpfen gegen die Menschenrechtsverletzungen galt, wie Bertram in seinem Brief verdeutlicht, nicht als Aufgabe der Kirche, jedenfalls nicht in der damaligen Situation, in der ihre restlose Zerschlagung – als Beispiel stand immer das bolschewistische Russland vor Augen – zu befürchten war. Eine andere Sicht von den Aufgaben der Kirche vertraten dagegen die Bischöfe Preysing (Berlin) und von Galen (Münster), später auch der Freiburger Bischof Gröber. Sie verfolgten nicht nur eine andere Politik gegenüber dem Regime (Protest und Mobilisierung der Massen statt der stillen Eingabepolitik Bertrams), sondern folgten einem anderen Kirchenkonzept, das die Diakonia direkt neben die Leiturgia stellte. Sie sahen es als zentrale Aufgabe der Kirche an, angesichts der Menschenrechtsverletzungen ihre Stimme zu erheben. Dem Sakristeichristentum Bertrams hielten sie sinngemäß den Satz des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer entgegen, "Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht gregorianisch singen."

Es ist beschämend, mit welcher Arroganz und Überheblichkeit über Menschen, welche unter den Bedingungen der Diktatur leben mussten, gesprochen wird. Dieses gilt vor allem über das behandelte Thema Kirche im Nationalsozialismus. Die abschließenden Bemerkungen sollen daher ein Verstehensversuch sein, keine Verurteilung der beiden in der Bischofskonferenz konkurrierenden Positionen.

Böses in Kauf nehmen, um größeres Leid zu verhindern?

Als Papst Johannes Paul II. vor einigen Jahren von den deutschen Bischöfen den Ausstieg aus dem staatlichen Beratungssystem forderte, gab es - bei allen zu betonenden Unterschieden zwischen unserer freiheitlichen Grundordnung und dem totalitären Nationalsozialismus - doch einen Vergleichspunkt in der Diskussion zum Verhalten der Kirche im NS: darf man dem Teufel die Hand reichen, um Gutes zu bewirken oder um das Böse ein wenig zu mindern?

Konkret: 1933-1945: Offener Protest und Widerstand gegen das Regime führt zu einem noch schärferem Kirchenkampf, den die Kirche sowieso nicht gewinnen kann, er führt vielmehr zur schnelleren Zerschlagung der Kirche, die dann gar nicht mehr wirken kann - darum lieber das retten, was zu retten ist und auf öffentlichen Protest verzichten und sich loyal gegenüber dem Regime zeigen.
Oder die Überlegungen Pius XII. zur Ermordung der Juden, welche ihm bekannt war: Offener Protest kostet mehr Juden das Leben als mein Schweigen und stille konkrete Hilfe.
Konkret in der Abtreibungsfrage: Obwohl wir durch die Ausstellung eines Scheines an der Tötung ungeborener Kinder mitwirken, können wir doch viele Leben retten, indem wir im System verbleiben.

Die Kirche hat sich im II. Weltkrieg für die diplomatische Lösung entschieden und wird von denselben Leuten dafür heftig kritisiert, welche gegen den Ausstieg der Kirche aus dem staatlichen Abtreibungsberatungssystem massiv protestieren. Die Frage soll hier abschließend nicht beantwortet werden, die ähnliche Situation soll jedoch nur zeigen, dass man sich sowohl im NS als auch bei der Frage der Beratungsstellen in einer Dilemmasituation befindet, d.h. man kann nur unter schlechten Lösungen wählen. Wer diesen inneren Konflikt spürt, wird vorsichtig mit verurteilenden und anklagenden Äußerungen.

Triumph und Niederlage

Abschließen möchte ich diese Katechese mit einem Text von J. H. Newman. Triumph und Ärgernis, Sieg und Niederlage, Te Deum und Miserere am gleichen Ort und zur selben Zeit gelten wohl für keine Epoche der Kirchengeschichte mehr als für die Zeit der Kirche im Nationalsozialismus.

«Die Welt ist ein Schauplatz des Kampfes und der Wechselfälle im Kampfe. Die Kirche steht immer unter den Waffen; bald gewinnt sie, bald verliert sie; und noch häufiger gewinnt und verliert sie zur gleichen Zeit in verschiedenen Gegenden. Was ist die Kirchengeschichte anderes als eine Erzählung des immer zweifelhaften Kriegsglückes, obgleich der Ausgang des Kampfes nicht zweifelhaft ist? Kaum haben wir das Te Deum angestimmt, und schon müssen wir zu unserem Miserere zurückkehren. Kaum sind wir im Frieden, und schon droht die Verfolgung. Kaum haben wir einen Triumph errungen, und schon gibt es neues Ärgernis. Ja, wir machen Fortschritte durch unseren Rückschritt; unser Kummer ist auch unser Trost; wir verlieren den Stephanus, um Paulus zu gewinnen, und Matthias tritt an die Stelle des Verräters Judas.» - (John Henry Newman)
V. Quellen
Q 1 - Auszüge aus dem Hirtenbrief der Bischöfe der Paderborner Kirchenprovinz vom 10. März 1933.

Die Quelle ist veröffentlicht in dem Buch: H. Müller: Katholische Kirche und Nationalsozialismus. Dokumente 1930-1933. München 1963, S. 28 - 33.

Im Anschluß an diese kurzen Ausführungen über den Geist der Zeit können wir eine Bewegung nicht unerwähnt lassen, die seit einem Jahre unter dem Namen "Nationalsozialismus“ in Deutschland sich verbreitet und eine zahlreiche Anhängerschaft in allen Kreisen, nicht zuletzt in der Jugend, gefunden hat. Wenn Irreführung und Verwirrung in einem so bedenklichen Maße um sich greift, wie es bei der vorerwähnten nationalsozialistischen Bewegung der Fall ist, erwartet das katholische Volk mit Recht, dass die Hirten der Kirche sich nicht in Schweigen hüllen, sondern öffentlich Stellung nehmen. Gar zu leicht könnte ja in solchen Fällen völliges Schweigen als Billigung der Ziele und Grundsätze der gerade herrschenden Kulturströmung ausgelebt werden. [...] Das Programm der NSDAP. steht namentlich im § 24 im offenen Gegensatz zur katholischen Religion. Schon die Worte "soweit religiöse Bekenntnisse nicht den Bestand des Staates gefährden" sind sehr dehnbar und im Lichte anderer Kundgebungen bedenklich; auch ist das Bekenntnis zum "positiven" Christentum recht inhaltarm. Wenn man auch über diese Bedenken allein hinwegsehen wollte, so ist doch der Satz: "Freiheit aller religiösen Bekenntnisse, soweit sie nicht gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen", direkt gegen die christlichen Grundsätze gerichtet; denn er macht das Gefühl einer Rasse zum Richter über religiöse Wahrheiten, über Gottes Offenbarung und über Zulässigkeit des von Gott gegebenen Sittengesetzes. In seinen letzten Konsequenzen leugnet er den universalen Charakter der katholischen Kirche. Das Reich Christi gilt uns Katholiken aber als international, universal, katholisch. [...]
Indem wir aber an dem internationalen Charakter mit aller Entschiedenheit festhalten, wird das Nationalbewußtsein in keiner Weise in uns aufgehoben. Wir lieben das Vaterland, das Land unserer Wiege, das Land unserer Sprache, das Land unserer Ahnen, das Land unserer Gräber. Ja, wir betrachten die Erfüllung der bürgerlichen Pflichten gegen das Vaterland und die Mitarbeit an der Ausbildung des Eigenlebens und der Größe unseres Volkes als Gottes Gebot, und dieses Gebot ist für uns als Ausfluß des göttlichen Willens stets von höchster Weihe und tiefster Verpflichtungskraft. Leider ist diese durch Gottes Gebot geheiligte Vaterlandsliebe überall in der Welt zu einem schrankenlosen Nationalismus ausgeartet, zu einem extremen völkischen Individualismus, zu einem Pharisäertum im internationalen Volksleben. Und die Folge? Trennende Scheidewände haben sich unter den Völkern der Erde gebildet, gegenseitiges Mißtrauen, gegenseitige Verachtung und Verleumdung, internationaler Zwist und Hader haben Platz gegriffen. Viele Ursachen liegen dem Hypernationalismus zu Grunde. Die allerletzte Ursache aber ist in der Gottentfremdung der Völker zu suchen. Wo der wahre Gott nicht mehr gekannt und angebetet wird, da werden falsche Götter angebetet, da ist es unausbleiblich, dass in Sachen, die das Volks- und Völkerwohl betreffen, die ganze Beurteilung eine rein weltliche bleiben wird. Nichts kann Rettung bringen als Rückkehr zu Christus. [...]
Wir begegnen Äußerungen, die im schärfsten Gegensatz zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehen, Schmähungen enthalten gegen die katholische Kirche und ihren Glaubensinhalt, gegen die Heilige Schrift (nicht nur gegen das Alte Testament), gegen den Apostolischen Stuhl, gegen katholische Religionsübung, alles mit dem Ziele, eine vom Stuhle Petri losgelöste künftige Religionsgemeinschaft zu gründen, d. h. eine "neue deutsche Volkskirche", die sich lossagen müsse vom "römischen Zentralismus" der katholischen Kirche. In diesem Sinne ist das Hakenkreuz Kampfzeichen gegen Christi Kreuz. Ober alles dieses können manche harmlos lautende, von Leitern der Partei in Versammlungen, Zeitungsartikeln und Broschüren abgegebene Erklärungen nicht hinwegtäuschen. [...]
Mögen auch viele Katholiken durch die Unzufriedenheit mit den heutigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen sich zum Anschluß an die NSDAP haben bestimmen und durch religiös klingende Redewendungen von Wahlrednern haben täuschen lassen, [...] Da jeder, der einer Partei beitritt, das ganze Programm der Partei und die Arbeit in ihrem Geiste unterstützt, so ist für katholische Christen die Zugehörigkeit zur NSDAP. unerlaubt, "solange und soweit sie kulturpolitische Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind". Nach wie vor scharen wir uns zusammen unter dein Banner des Königtums Christi zum Kampfe für die Sache des Glaubens, ...
Q 2 - Fuldaer Erklärung

Dem ganzen Text ist anzumerken, dass jedes Wort abgewägt wurde, vielfach klingt der Text gestelzt und umständlich formuliert, was die Dilemmasituation der Bischöfe widerspiegelt. Die Staatsauffassung der Bischöfe steht in alter kirchlicher Tradition, die sich auf den Brief des Apostels Paulus an die Römer bezieht:

Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. (Röm 13, 1-2)

Die Bischöfe versuchen, sich und ihren Verurteilung aus den vorherigen Jahren treu zu bleiben, schulden aber den Nationalsozialisten, welche nun die Regierung stellen, staatsbürgerlichen Gehorsam. Diese beiden schwer zu vereinbarenden Gedanken durchziehen den gesamten Text:

Kundgebung der Fuldaer Bischofskonferenz vom 28. März 1933

Die Oberhirten der Diözesen Deutschlands haben aus triftigen Gründen, die wiederholt dargelegt sind, in ihrer pflichtgemäßen Sorge für Reinerhaltung des katholischen Glaubens und für Schutz der unantastbaren Aufgaben und Rechte der katholischen Kirche in den letzten Jahren gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine ablehnende Haltung durch Verbote und Warnungen eingenommen, die solange und insoweit in Geltung bleiben sollen, wie diese Gründe fortbestehen.
Es ist nunmehr anzuerkennen, dass von dem höchsten Vertreter der Reichsregierung, der zugleich autoritärer Führer jener Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklärungen gegeben sind, durch die der Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderlichen Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen sowie die vollinhaltliche Geltung der von den einzelnen deutschen Ländern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird. Ohne die in unserer früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzugeben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, dass die vorbezeichneten allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachten werden brauchen.
Für die katholischen Christen, denen die Stimme ihrer Kirche heilig ist, bedarf es auch im gegenwärtigen Zeitpunkt keiner besonderen Mahnung zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit und zur gewissenhaften Erfüllung staatsbürgerlichen Pflichten unter grundsätzlicher Ablehnung alles rechtswidrigen und umstürzlerischen Verhaltens.
In Geltung bleibt die so oft in feierlicher Kundgebung an alle Katholiken ergangene Mahnung, stets wachsam und opferfreudig einzutreten für Frieden und soziale Wohlfahrt des Volkes, für Schutz der christlichen Religion und Sitte, für konfessionellen Schule und katholischen Jugendorganisation. In Geltung bleiben ferner die Mahnungen an die politischen und ähnlichen Vereine und Organisationen, in Gotteshaus und kirchlichen Funktionen aus Ehrfurcht vor der Heiligkeit derselben zu vermeiden, was als parteimäßige Demonstration erscheinen und daher Anstoß erregen kann.
In Geltung bleiben endlich die so oft und eindringlich ergangene Aufforderung, für Ausbreitung und Wirksamkeit der katholischen Vereine, deren Arbeit so überaus segensreich ist für Kirche, Volk und Vaterland, für christliche Kultur und sozialen Frieden, stets mit weitblickender Umsicht und mit treuer, opferwilliger Einigkeit einzutreten.
Q 3 - Abschiedsbrief von Anton Schmid

Nach der Aufdeckung seiner Hilfe für Juden im Ghetto wird Schmid im Januar 1942 verhaftet und am 25. Februar durch das Gericht der Feldkommandantur in Wilna zum Tode verurteilt. Am 13. April 1942 findet die Hinrichtung statt. Bis auf den Brief sind Anklage und Akten der Verhandlung verschollen.

Meine liebe Stefi!
Deine beiden Briefe mit Dank gestern erhalten. Freut mich, dass Ihr, meine Lieben, gesund seid und alles bei euch in Ordnung ist. Ich kann Dir heute schon alles über mein Schicksal, das mich ereilte, mitteilen - aber eines bitte ich Dich: bleibe stark, wenn Du weiterliest, es ist leider so, dass ich zum Tode verurteilt wurde vom Kriegsgericht in Wilna, was ich nie erwartet hätte - aber nachdem hier schon eine Menge Kameraden dasselbe Urteil hatten und ich das nicht erleben wollte, um Euch das Urteil zu ersparen, mir aber keine Vorwürfe machen wollte und selbst das leben aufzugeben, damit Ihr vielleicht denken könntet, ich will nicht mehr zu Euch zurückkommen. So wartete ich bis es zu spät ist und ich erst nichts retten kann - es ist eben Krieg und das Gericht macht keine Geschichten - kurz und bündig wirst ja einmal noch viel hören wie bei den Kriegsgerichten verurteilt wurde, aber man kann nichts dagegen machen als ein Gnadengesuch einreichen, das ich auch tat. Bis heute Mittag wird sich entscheiden, was wird, ich glaube aber, dass es abgewiesen wird, da bis jetzt alle abgewiesen wurden.
Aber meine Lieben, darum Kopf hoch, ich habe mich damit abgefunden und das Schicksal wollte es so. Es ist von oben - unserem lieben Gott - bestimmt, daran lässt sich nichts ändern. Ich bin heute so ruhig, dass ich es selber nicht glauben kann, aber unser lieber Gott hat das so gewollt und mich so stark gemacht, ich hoffe, dass er Euch ebenso stark machte wie mich.
Ich will Dir noch mitteilen, wie das ganz kam: hier waren sehr viele Juden, die vom Litauischen Militär zusammengetrieben und auf einer Wiese ausserhalb der Stadt erschossen wurden immer so an die 2000-3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege gleich an die Bäume angeschlagen - kannst Du Dir das vorstellen? Ich musste - was ich nicht wollte - die Versprengtenstelle übernehmen, wo 140 Juden arbeiteten, diese baten mich, ich soll sie von hier wegbringen oder es einem Fahrer mit Wagen sagen. Da liess ich mich überreden - Du weisst ja, wie mir ist mit meinem weichen Herzen - ich konnte nicht viel nachdenken und half ihnen - was von Gerichts wegen schlecht war. Ich glaube Dir, meine liebe Stefi und Gertha, dass es ein harter Schlag ist für uns, aber bitte, bitte verzeiht mir - ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte ja niemandem weh tun. Wenn Ihr, meine Lieben, das Schreiben in Euren Händen habt, dann bin ich nicht mehr auf Erden - ich werde Euch auch nichts mehr schreiben können - aber eines seid gewiss, dass wir uns einstens wiedersehen in einer besseren Welt bei unserem lieben Gott. Ich habe noch einen Brief geschrieben vom 1.4. – oder schon früher - dem habe ich das Bild von Gerthab eigelegt, das Du ja auch bekommen wirst. Dieses gebe ich dem Pfarrer. In meiner Stube sind 6 Mann von 17-23 Jahren, die dasselbe los haben wegen Fahnenflucht und Feigheit vor dem Feinde - alles wird so verurteilt.
Auch Juden sind Feinde - es ist eben so...

Quelle: Abschrift des Briefes von Anton Schmid, Wilna, an Stefanie Schmid, Wien, vom 9.4.1942, Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes. Wien, Akte Anton Schmid, zitiert nach: Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Verbrechen der Wehrmacht (Ausstellungskatalog), Hamburg 2002, S. 627. (Hg.): Verbrechen der Wehrmacht (Ausstellungskatalog), Hamburg 2002, S. 627.

Q 4 - Zeichnung einer Schülerin

Dieses Bild zeigt die Situation der Bischöfe, welche im Februar 1933 in Fulda über die neue Situation, die durch die Regierungsbeteiligung der NSDAP entstanden ist, beraten. 1. Hitlers Werbung am Tag vom Potsdam, 2. Der von der Polizei geduldete Terror der SA gegen "schwarze und rote Staatsfeinde." 3. Die in Röm 13 geforderte Loyalität gegenüber der legitimen Staatsmacht. 4. Die Erkenntnisse über die NSDAP, dass Katholizismus und Nationalsozialismus unvereinbar sind. (Links oben beginnend, gegen den Uhrzeigersinn)

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