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Harry Potter: Erfolgsbücher in einer glaubenslosen Zeit

Harry Potter wird in kirchlichen Kreisen heiß diskutiert. Vor allem Gabriele Kuby spricht sich deutlich gegen den kleinen Zauberjungen aus. Natürlich gibt es keine offizielle katholische Stellungnahme zu den Romanen (wo kämen wir denn dahin...!). Aber wir von der Karl-Leisner-Jugend haben schon eine Meinung. (Nicht erschrecken - die Harry-Potter-Artikel sind z.T. nicht ganz einfach zu lesen...!)

"Potter 2" ist eine Analyse von Axel Schmidt, der die Romane als Gleichnis versteht,

"Potter 3" stammt aus der Feder von Thomas Möllenbeck und entdeckt in Harry Potters Geschichten viele Ähnlichkeiten mit der Welt des Glaubens,

"Potter 4" ist ein Artikel, der in der Münsteraner Kirchenzeitung erschienen ist (auch von Axel Schmidt),

"Potter 5" beschäftigt sich mit Gabriele Kuby und dem Problem der "Natürlichen Religion" (wiederum Axel Schmidt),

"Potter 6" ist nocheinmal von Axel Schmidt und erkennt in Potters Welt zwar eine vor-christliche, aber keine un-christliche Welt - im Gegenteil.

"Potter 7" ist ein letztes Mal von Axel Schmidt, der nun auf alle sieben Bände zurückschaut (und besonders den siebten Band berücksichtig) - und ein abschließendes Urteil wagt. Um es vorwegzunehmen: Harry Potter (und seine Schöpferin, J. K. Rowling) kommen gut dabei weg

auch als pdf-Datei erhältlich

Wenn der abgeschaffte Teufel ahnungsvoll zurückkehrt

Der Harry-Potter-Erfolg ist nicht der Schreibkunst einer Kinderbuchautorin allein zu verdanken, er ist ein eigentlich konsequentes Zeichen unserer gottlosen Zeit.

Das geistige Bedürfnis des Menschen nach Sinn und Ziel seines Lebens - und mithin nach Klarheit der Orientierung und Bewältigungsmöglichkeit von Lebensschwierigkeiten - ist dem Menschen nämlich eingeboren wie das nach lieblicher Nahrung. Eine Zeit, die dieses Urbedürfnis über Jahrzehnte hinweg auszuhungern und die religiöse Verhaftung mit Hilfe von Diffamierung in den Medien auszutreiben sucht, erzeugt zunächst eine Verdrängung dieser Aspekte mit einem Vakuum auf diesem Sektor, das nicht lange erhalten bleibt. Irrationales drängt in großer Vielfältigkeit ein, die Zeit der Gurus, der Scharlatane, der Esoteriker, der Zauberer beginnt.

Je mehr der seiner religiösen Heimat beraubte Mensch unter der Leere leidet, umso machtvoller beginnt der verunsicherte, ohnmächtig an das Unheimliche ausgelieferte Mensch nach Irrlichtern und Strohhalmen zu greifen. Wird das religiöse Bedürfnis gar von Kindesbeinen an bei immer mehr Menschen vernachlässigt und nicht gepflegt, so stagniert ein Teil der seelischen Entwicklung. Es bleibt partiell in der sogenannten magischen Phase der Kleinkinderzeit stecken. Denn das seine Ohnmacht durchaus spürende Kleinkind kompensiert diese gern durch zauberische Allmachtsphantasien. Deshalb zaubert das drei- bis sechsjährige Kind so gern und mit großer Leidenschaft.

Unter harmonischen Entwicklungsbedingungen wird diese Phase durch einen nüchternen Realitätssinn des Schulkindes abgelöst. Denn halbbewußt erfaßt es nun, daß dieses Leben doch wohl erdhaft bewältigt werden muß. Findet in dieser Phase des naiven Realismus aber keine angemessene Weiterführung der metaphysischen Urbedürfnisse statt, werden sie in der "Spaßgesellschaft" gar total gekappt, so müssen sie sich im späteren Leben Gehör verschaffen.

In dieses Vakuum hat die englische Autorin einen Pfeil mitten ins Zentrum abgeschossen: Es ist die Geschichte des heimatlosen Kindes, dessen Eltern von dunklen, geheimnisvollen bösen Mächten ermordet wurden, die erzählt wird. Das heißt: Die Geschichte des seiner Voreltern und das heißt symbolisch: der Tradition beraubten, infantilisierten Menschen der Moderne, wird dargestellt.

Und durch die vier Harry-Potter-Bände zieht sich deshalb wie ein roter Faden die "Message", daß dieser geschundene, ohnmächtige Kleine, der seine Kindheit bei lieblosen Verwandten in einem Schrank (!) zu verbringen hat, eigentlich ein Zauberer ist, einer, der - wenn ihm das erst zum Bewußtsein gekommen ist und er sich durch Lernen der Zauberkunst vervollkommnet hat - die ganze Ungerechtigkeit wohl wie einen machtvollen Spuk vom Tisch zu wischen vermöchte. Aber er ist dem Guten verpflichtet, in verläßlicher Freundschaft zu seinem Zauberkameraden Ron und dessen Zaubererfamilie, und das schränkt Impulse zu unbedachten Aktivitäten ein. Darüber hinaus: Von Band zu Band erwächst dem kleinen Zauberlehrling die Erkenntnis entgegen, daß nicht nur gegen die "Muggles" - gegen die üblichen kleinbürgerlich oberflächlichen Leute der Moderne - der gute Kampf geführt werden sollte, sondern vor allem gegen die kalte Großmacht des mörderischen Bösen, die im Hintergrund bleibt. Sie zeigt sich allein in Schauder erregenden Inszenierungen und gibt damit Kostproben über die Gegebenheit, dass es sich hier um den mächtigsten aller böser Zauberer handelt.

Damit ist das archetypische Modell installiert: Der in der Moderne für nicht existent erklärte Teufel kehrt ahnungsvoll in die kindlichen Gemüter zurück. Die Macht mörderischer Zerstörung wird neu gefürchtet und als das Böse schlechthin erkannt. Die Notwendigkeit eines Kampfes mit entsprechenden zauberischen Mitteln tritt damit neu ins Blickfeld.

In den Harry-Potter-Wälzern bleibt diese Erkenntnis eher als Vision in einer infantilen Utopie stecken; denn Humanismus und gekonntes Sozialverhalten haben sich längst als unzureichende Zauberstäbe erwiesen.

Mehr Hoffnung wird die Autorin mit ihrem Harry auch nach dem Erscheinen von Band 7 vermutlich nicht machen können; denn weiter ist die Moderne noch nicht im Hinblick auf neu zu gewinnende metaphysische Erkenntnis. Weltweite Erfolge ließen sich damit noch nicht einfahren. Geistliche Gesundung unserer Zeit kann durch Harry Potter deshalb nicht herbeigezaubert werden. Dazu bedürfte es eines Kniefalls der Menschheit, der ihr ganzes Leben neu durchdringt und so die Heimkehr des verlassenen Sohnes ins Vaterhaus möglich machen würde. Denn dort gibt es sie in Wahrheit, die Möglichkeit der Wandlung zur Heilung vom Verlust der Geborgenheit durch die mystische Kraft unseres Gottes. Und dort gibt es auch die Verheißung der endgültigen Vernichtung des Widersachers.

Harry Potter ist eine Antwort auf den Glaubensverlust der Moderne. Die Sehnsucht danach taucht in infantilem Gewand mit diesem Mammutwerk erneut auf. Damit verheißt der Welterfolg Hoffnung: Der verlorene Sohn ist immerhin bereits wieder auf der Suche nach der verlorenen Heimat. Der Tiefpunkt der Verdrängung ist bereits überwunden.

 

Von Christa Meves, zuerst veröffentlicht im "Rheinischen Merkur"