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Wie wir sicher glauben können

Der katholische Glaube gilt, vor allem bei Kritikern, als ein «gesichertes System». Klare Aussagen im Katechismus, strenge Moralvorstellungen und zahlreiche Geboten würden die katholische Glaubenswelt in sichere Strukturen fassen. Ein ganz anderes Bild zeichnet Thorsten Dietz, Professor in der evangelikalen Welt: Er bewundert in seinem Buch «Menschen mit Mission» die große Vielfalt der Glaubensweisen ausgerechnet in der katholischen Kirche, die seiner Meinung nach sehr unterschiedliche Traditionen, eine Fülle an Ausdrucksformen und Kulturen umfasst - trotz des Unfehlbarkeitsanspruches des Papstes. Im Gegensatz dazu seien - so Dietz - die Evangelikalen weltweit viel einheitlicher und weniger bunt.

Wie kann das sein? Wenn die katholische Kirche einen klar definierten Glauben hat, wie kann sie dann so vielfältig, bunt und tolerant sein? Warum hat sie keine Schwierigkeiten, so abwechslungsreich zu sein wie die Kulturen der Welt? Die verblüffende Antwort lautet: Die große Freiheit der (katholischen) Christgläubigen erwächst gerade aus ihrer Glaubenssicherheit. Ohne definierte Glaubensgrenzen gibt es nämlich keine Freiheit im Glaubensleben. Weil Katholiken wissen, was sicher und grundlegend ist, können sie das daraus folgende Leben individuell gestalten. Das Spielbein braucht ein festes Standbein.

Wer jetzt vermutet, dass das Standbein die Lehre und das Spielbein der gelebte Glaube und die Spiritualität ist, liegt nicht ganz richtig: Nicht nur der Glaube ist defniert und gewährt deshalb eine große Glaubensfreiheit, auch die Erfahrung Gottes in den Sakramenten und der gelebte Glaube in den Heiligen ist zugleich sicher - und dadurch frei gestaltbar.

Das klingt verrückt genug, um eine spannende Katechese zu erwarten. Ich hoffe, diese Erwartung nicht zu enttäuschen.

 

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Diese Katechese ist auch als gedrucktes Heft (Nr. 157) erhältlich: Kostenlose Bestellung

 

I. Hauptteil: Drei Weisen der Sicherheit und Freiheit
Der Glaube der Kirche

Es gibt eine für uns unerhört beruhigende Aussage Jesu über die gesicherte Zukunft der Kirche: «Du bist Petrus, der Fels, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen. Und die Pforten der Hölle werden sie niemals überwinden.» (Mt 3,16) Wir sind also auf sicherem Grund, wenn wir uns in den Schoß der katholischen Kirche begeben - denn in ihr ist die wahre Kirche Jesu Christi verwirklicht (LG 8).
Nur: Diese Kirche ist eine Kirche Gottes in dieser Welt. In ihr existiert Göttliches und Menschliches zugleich, auch in der Kirche. Und beides ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Heiliges und Sündhaftes bilden nicht immer einen Gegensatz, sondern manchmal eine unheilige Allianz. In jedem Menschen - auch in jedem Getauften und Katholiken - begegnet uns der wahrhaft göttliche Glaube der Kirche und zugleich menschlich-fehlerhafte Gewohnheiten. Die Kirche bewahrt die von Christus geschenkte Offenbarung (die Tradition - Singular!) und lebt sie in zahlreichen zeitbedingten und manchmal zweifelhaften Bräuchen (die Traditionen - Plural!).
Leider lässt sich in diesem Gemisch der pure, unverfälschte Glaube nicht vollständig von seinen zeitlichen und menschlichen Beimengungen trennen. Als gläubige Christen sind wir zwar nicht von dieser Welt - aber wir sind nun mal in dieser Welt. Darum ist es eine ständige Aufgabe der Kirche und all ihrer Glieder, das Wahre und Göttliche immer wieder von menschlichen Zutaten zu unterscheiden. Mit dieser Aufgabe wird sie in dieser Zeit an kein Ende kommen.
Das Katholische ist also gar nicht so klar definiert, wie es Kritiker oft behaupten. Aber es sehr viel klarer, als innerkirchliche Skeptiker oft bezweifeln. Wo wir sicher sein können, Gott zu begegnen, ist Gegenstand dieser Katechese.

1. Die drei lehramtlichen Unfehlbarkeiten...

Immer wieder ist von der päpstlichen Unfehlbarkeit die Rede, und tatsächlich ist sie ein ganz wichtiges Element, wenn wir nach der sicheren Erkenntnis der göttlichen Offenbarung fragen. In der päpstlichen Unfehlbarkeit finden wir aber ein größeres Konzept: eine göttliche Zusage, die eine dreifache Unfehlbarkeit umfasst. Denn der Papst ist - falls er sich genötigt fühlt, eine unfehlbare Lehrentscheidung treffen zu müssen - auf die Unfehlbarkeit der gesamten Kirche angewiesen. Nicht im formalen Sinne: Er muss die Kirche nicht um Zustimmung fragen, ob er ein Dogma verkünden darf. Aber im materialen Sinn: Der Papst hat den Beistand des Hl. Geistes nur, wenn er auf den Glauben der Kirche schaut und diesen in einer bestimmten Hinsicht definiert. Aber das setzt voraus, dass die Kirche in ihrer Gesamtheit ebenfalls unfehlbar ist und den Beistand des Geistes hat, den ihr geschenkten göttlichen Glauben nicht zu verlieren.
Diese der ganzen Kirche verheißenen Unfehlbarkeit ist der Kirche als Ganzes zugesagt; ein einzelner Katholik kann sich also nicht darauf verlassen, dass er als Getaufter und Gefirmter nun glauben kann, was er will, weil er ja nicht «irre gehen könne». Das wäre ein Trugschluss. Aber auch dem einzelnen Katholiken ist eine Sicherheit gegeben, die im Lehramt der Bischöfe liegt. Denn die eigentlichen Lehrer des Glaubens sind nicht etwas alle Priester oder Theologieprofessoren - und auch nicht nur der Papst. Sondern jeder Bischof ist Vertreter des ordentlichen Lehramtes; seine Pflicht ist es, den Glauben unverfälscht zu lehren und zu bewahren. Nun, auch dem kommen nicht alle Bischöfe hinreichend nach, sowohl einzelne Bischöfe als auch einzelne Aussagen können immer noch Fehler enthalten. Gemeinsam ist den Bischöfen aber wiederum der Beistand des Heiligen Geistes zugesagt. Im Hören auf das Volk und den Papst (den anderen beiden definierten Orten der geistgewirkten Unfehlbarkeit) ist das Kollegium der Bischöfe ebenfalls mit dem Beistand des Geistes ausgestattet.

...führen zu ersten Sicherheit: Dem katholischen Dogma.

Aus diesem Zusammenspiel von päpstlicher, gesamtkirchlicher und gemeinschaftlich-bischöflicher Zusicherung des Geistes ergibt sich eine hinreichende Glaubenssicherheit, die vor allem in formulierten Dogmen handfest wird. Aber auch für Dogmen gilt, dass sie ja in menschlicher Sprache verfasst sind und deshalb das göttliche nicht wirklich erschöpfend fassen können.
Jedes Dogma ist also nur klar und eindeutig in der Beschreibung der Außengrenzen unseres Glaubens. Dogmen sind «negativ formuliert»: Sie definieren nicht die Wahrheit, indem sie diese umfassend beschreiben. Sie zeigen nur auf, wo die Unwahrheit beginnt.

Deshalb sind die meisten dogmatischen Entscheidung als Ausschluss formuliert: «Wer dies und das behauptet, der sei ausgeschlossen». Das ist keine Anmaßung oder Selbstherrlichkeit, sondern Bescheidenheit: Nicht die Wahrheit wird zur Zustimmung vorgelegt, sondern die Unwahrheit zur Ablehnung.

Ein Theologieprofessor hat daher die Dogmen als «Zaunpfähle einer blühenden Weide voller saftiger Gräser» beschrieben, die lediglich markieren, wo die Weide aufhört und ungesunde und schädliche Pflanzen drohen.

...und fügte hinzu: «Kühe, die anstatt munter zu weiden, die ganze Zeit an den Zaunpfählen nagen, sind wohl eher neurotisch zu nennen.»

Jetzt wird auch deutlich, was mit der eingangs erwähnten Freiheit des Glaubens gemeint ist, die scheinbar trotz der zahlreichen dogmatischen Entscheidungen von Konzilien, Bischöfen und Päpsten besteht. Das ist in Wirklichkeit kein Gegensatz. Denn erst durch die Definition der Außengrenzen unseres Glaubens wird garantiert, dass jeder, der sich innerhalb dieser «Weidezaunpfähle» bewegt, daran nicht gehindert werden darf. Eine solche Pflicht zur Toleranz findet sich nicht in vielen anderen Religionen und Konfessionen. Dass es sie bei uns gibt, verdanken wir der von Gott geschenkten Unfehlbarkeit der Kirche in Glaubensfragen.

2. Die Sakramente - Sichere Treffpunkte mit Gott

Eine zweite Sicherheit will ich hier nur erwähnen, weil sie wesentlich für das Glaubensleben der Kirche ist: Die Feier der Sakramente. Ein Empfänger der Sakramente darf und kann sich der jeweiligen Zuwendung sicher sein. Wer das Sakrament der Versöhnung - die Beichte - empfängt, hat definitiv die Vergebung der Sünden erhalten; wer eine Eucharistie mitfeiern - die Messe - und die Kommunion empfängt, ist definitiv mit Gott in Berührung gekommen und hat Anteil an seiner Erlösung gefunden. Brautleute gehen definitiv anders aus der Kirche heraus als sie hineingekommen sind - nämlich nun als eine Einheit, die nur Gott schaffen kann. Getaufte und Gefirmte erhalten definitiv ein unauslöschliches Siegel auf ihrer Seele, das niemand und nichts mehr entfernen kann. (Und so weiter...!)
Man möge mir nicht unterstellen, dass dieser Teil der gesicherten göttlichen Zuwendung mir nicht wichtig sei - und ich deshalb nur eine halbe Seite darauf verwende. Das Gegenteil ist der Fall. Der wahre Grund, warum ich hier nicht näher darauf eingehen will, ist: Diese Sicherheit ist so lebensnotwendig, dass jedes Sakrament eine eigene Katechese verdient (und nicht nur eine...!). Ich empfehle sie dringend. Dogmen sind letztlich Worte. Sakramente sind lebendige Begegnungen!

3. Die Heiligen - Verbürgte Lebensweisen

Es wird oft vergessen, dass die Kirche und durch sie der Papst nicht nur in der Verkündigung von Lehren und Dogmen unfehlbar sein kann. Auch in der Selig- und Heiligsprechung zeigt sich der Beistand des Heiligen Geistes, auch hier kann sich die Kirche nicht irren. Alle, die im Namen des Papstes selig oder heilig gesprochen wurden, sind (wiederum: definitiv) bei Gott.

Wohlgemerkt: Menschen, die heilig gesprochen wurden, sind nicht durch diese Feier in den Himmel aufgefahren (es gibt tatsächlich Kritiker, die das behaupten). Vielmehr gilt: In der Erkenntnis, ob Verstorbene bei Gott sind, kann die Kirche nicht irren.

Diese Unfehlbarkeit ist mehr als nur eine sachliche Information über einen genehmigten Fürsprecher bei Gott. Die unfehlbare Heiligsprechung eröffnet uns einen ganzen Kosmos an Lebensweisen, deren Fazit jeweils lautet: Happy End in alle Ewigkeit!
Eine Seligsprechung geschieht zumeist auf Bitten von Gläubigen und erlaubt die liturgische Verehrung des Seligen. Bei der Heiligsprechung wird nicht nur eine Verehrung erlaubt, sondern weltweit empfohlen. Als Fürsprecher, als Vorbild - und auch als Garant der Vielfalt. Da es sehr unterschiedliche Heilige gibt, die trotz ihrer Gegensätzlichkeit kanonisiert wurden (so nennt man die Heiligsprechung), wird ein weites Feld aufgetan. Wie die Dogmen als Außengrenzen des gewussten Glaubens die bunte Weide schützen, so wird in den Heiligsprechungen die Vielfalt des gelebten Glaubens geschützt.
Werfen wir also einen kurzen Blick auf die enorme Bandbreite, mit der wir unseren Glauben in die Wirklichkeit umsetzen dürfen.

Diese Vielfalt ist kein spätes Produkt, das sich erst nach einer langen Heiligsprechungspraxis ergab. Nein, sie ist ganz ursprünglich und gottgewollt: Bereits die Zwölf Apostel, die von Jesus berufen und eingesetzt wurden, sind viel gegensätzlicher, als wir leichthin annehmen. Eines der größten Wunder der jungen Kirche ist, dass diese Zwölf, anstatt übereinander herzufallen, sich gemeinsam in den Dienst der Kirche stellten. Bunt war die Kirche von Anfang an.
Das weite Feld der Möglichkeiten, heilig zu werden
Albertus Magnus und Bernadette Soubirous

Der vermutlich letzte Universalgelehrte Albertus Magnus, der das ganze Wissen seiner Zeit parat hatte, ist genauso heilig wie Bernadette von Soubirous, die sich selbst einmal als "das dümmste Mädchen in ganz Lourdes" bezeichnete. Vielleicht war sie es sogar; es hat sie auf jeden Fall nicht gestört.
Heiligkeit ist keine Frage der Intelligenz.

Ignatius von Loyola und Filippo Neri

Sowohl Ignatius von Loyola als auch Filippo Neri haben jeweils einen Orden gegründet, der die Erneuerung der Kirche vorantreiben sollte. Allerdings haben beide einen sehr unterschiedlichen Weg gewählt: Ignatius gründet die militärisch organisierten Jesuiten, die dem Papst bei der Gegenreformation treue Diener sein sollte. Filippo Neri gründete die Oratorianer, die sich als «lose Gruppe von Priester» in Oratorien zusammenfanden und den Armen, Kindern, Jugendlichen und Pilgern dienen sollten. Ignatius und Filippo kannten sich persönlich - und waren selten einer Meinung. Und doch schätzten sie sich gegenseitig als Heilige ein, womit sie sich gegenseitig vortrefflich ärgern konnten. Filippo Neri antwortete sogar einmal auf die Frage, was er tun würde, wenn er sich selbst keinen Rat mehr wüsste: «Dann frage ich mich, was wohl mein Freund Ignatius raten würde - und mache das Gegenteil.»
Heiligkeit ist keine Frage der pastoralen Konzepte.

Franz von Assisi und Robert Bellarmin

Während Robert Bellarmin arm aufwuchs und zum Kardinal und Kirchenfürsten aufstieg, war Franziskus ein Sohn reicher Eltern, die im Tuchgeschäft Handel trieben, und wählt freiwillig die Armut. Robert Bellarmin erwarb sich durch seine Studien einen Ruf als ausgezeichneten Theologen, während Franziskus kaum in der Lage war, ohne fremde Hilfe seinem neugegründeten Orden eine klare Regel zu geben. Während Franz von Assisi auf allen Besitz verzichtete und ein Bettelmönch wurde, verfasste Robert mehrere Bände gegen die Lehren der Häretiker und einen Katechismus; er wurde zum Großinquisitor und war für die Hinrichtung des Giordano Bruno verantwortlich. Beinahe wäre er sogar (anstelle von Paul V.) Papst geworden. Robert Bellarmin war selbst bewandert in den Naturwissenschaften und deshalb gut bekannt mit Galileo Galilei - und doch sein Gegenspieler im finalen Prozess. Obwohl Franziskus den Päpsten und Kardinälen in ihrem Luxus ein lebendiger Vorwurf war, weil er die Armut so überzeugend lebte, unterwarf sich Franziskus ausdrücklich und mehrfach dem Papst (der damals noch Innozenz III. und danach Honorius hieß).
Heiligkeit ist keine Frage des Geldes. Und auch nicht der kirchlichen Position.

Franz Xaver und Charles de Foucauld

Franz Xaver war Jesuit und einer der erfolgreichsten Missionare seiner Zeit. Seine Reisen waren zahlreich und weit. Er gründete Missionen, aus denen junge Kirchen wurden, die bis heute Bestand haben. Charles de Foucauld wollte auch Missionar werden und begab sich auf die gefährliche Reise ins nördliche Afrika, um bei den Tuareg zu leben - einem nordafrikanischem Berg- und Wüstenvolk. Obwohl Charles vorbildlich, selbstlos und letztlich heiligmäßig lebte, hat er es zeitlebens nicht geschafft, auch nur einen Tuareg zu bekehren, bis er von ihnen schließlich ermordet wurde. Und doch wurde er genauso heiliggesprochen wie Franz Xaver.
Heiligkeit ist keine Frage des missionarischen Erfolgs.

Thérèse von Lisieux und Teresa von Ávila

Thérèse von Liseux (1873 - 1897) und Teresa von Ávila (1515 - 1582) haben nicht nur in ganz unterschiedlichen Zeiten gelebt, außerdem in zwei verschiedenen Ländern - sie werden auch gerne "die kleine" und "die große" Thérèse genannt. Zudem hat die ältere Theresia den Beinamen "von Jesus", die jüngere dagegen "vom Kinde Jesus".
Darüber hinaus sind sie ganz unterschiedliche Persönlichkeiten; die große Teresa eine Ordensgründerin und Begründerin zahlreicher Klöster, Mystikerin und von großer kirchenpolitischer Bedeutung und nicht zuletzt die Verfasserin eines bis heute vielgelesenen geistlichen Werkes «Die innere Burg». Die kleine Thérèse war eher von kindlicher Frömmigkeit, hat keinen Orden gegründet oder reformiert, sondern den «kleinen Weg der Liebe» verfolgt. Und doch sind beide im gleichen Orden verwurzelt (den Orden der unbeschuhten Karmelitinnen) und - was bei ihrer Unterschiedlichkeit überrascht - beide zu Kirchenlehrerinnen ernannt worden.
Heiligkeit ist keine Frage der Größe.

Thomas von Aquin und der heilige Hieronymus

Man mag sich nur die Bilder von Thomas und Hieronymus anschauen: Gegensätzlicher geht es kaum. Thomas brachte mit seiner Leibesfülle sicherlich das drei- bis vierfache Gewicht eines spindeldürren Hieronymus auf die Waage. Man erzählt sich, dass der Tisch am Platz des Thomas von Aquin rundlich ausgesägt wurde, weil der enorme Bauch ihn sonst zuweit von seinem Teller fernhielt. Hieronymus, der lebende Asket, hat für die Kirche aber ähnliches geleistet wie Thomas: Hieronymus legte mit seiner Bibelarbeit die Grundlage für die ganze nachfolgende Theologie; so wie es Thomas mit seiner philosophischen Durchleuchtung des ganzen Glaubens getan hat. Sophronius Eusebius Hieronymus ist Kirchenvater, Thomas von Aquin Kirchenlehrer.
Heiligkeit ist keine Frage des Body-Mass-Index.

II. Hauptteil: Ein Blick in das «Backend» und «Backoffice»

«Backend» - das ist der Bereich einer Internetseite, der nicht öffentlich sichtbar ist, in dem aber die Einstellungen vorgenommen werden, die das Erscheinungsbild der Seite bestimmen. Ebenso ist das «Backoffice» nicht für den Empfang von Publikumsverkehr gedacht, nicht-desto-trotz werden dort Arbeiten erledigt, die für die Interessen der Kunden wichtig sind.

Wie entstehen also Dogmen? Wie werden Sakramente gespendet? Und was ist für eine Heiligsprechung wichtig?

1. Wie Dogmen entstehen
Wer kann ein Dogma erlassen

Ein Dogma ist zumeist ein Satz, der schriftlich fixiert wurde. Das kann durch den Papst geschehen (was eher selten ist), oder durch ein Konzil (was häufiger vorkommt). Ein Konzil - das ist die Zusammenkunft der Bischöfe, eigentlich aller Bischöfe, selbst wenn ein Teil praktisch daran gehindert ist, am Konzil teilzunehmen. Konzilien, bei denen dann wirklich so gut wie alle Bischöfe teilnehmen, nennt man "ökumenisches Konzil" - weil dort die Bischöfe der "ganzen ökumene" (= des ganzen Erdkreises) teilgenommen haben. Man kann dazu auch "allgemeines Konzil" sagen. Es kommt aber vor, dass bei einem Konzil ein großer Teil der Bischöfe fehlt (aus welchen Gründen auch immer), dann erhält ein solches Konzil einen anderen Namen: z.B. Teil-Konzil, Partikular-Konzil oder wird zu einer einfachen "Synode". Außerdem muss das Konzil in Einheit mit dem Papst abgehalten werden - sonst ist es nicht "legitim".
Bei manchen Konzilien ist strittig, ob die Zusammenkunft "ökumenisch" und "legitim" war; vor allem bei den Konzilien, die einen oder gleich alle Päpste absetzten und so versuchten, eine Kirchenspaltung (Schisma) zu verhindern.

Im Jahre 325 fand das Konzil mit dem Namen "Nicäa I" statt; 381 Konstantinopel I, 431 Ephesos, 451 Chalcedon; 553 Konstantinopel II; 680 Konstantinopel III und 787 das Nicäa II. - Diese Konzilien und deren Beschlüsse werden von allen christlichen Konfessionen anerkannt.
Anschließend fanden weitere Konzilien statt (insgesamt 21). Die orientalisch-orthodoxen Kirchen erkennen nur die Konzilien bis Ephesus bzw. Chalcedon an, Protestanten im allgemein die ersten vier Konzilien (gelegentlich auch die zuvor genannten sieben Konzilien).

Auch der Papst kann - selbst ohne ein Konzil einzuberufen - Dogmen verkünden. Davon hat er jedoch fast die ganze Kirchengeschichte über keinen Gebrauch gemacht, erst als die Möglichkeit der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem ersten Vatikanischen Konzil verkündet wurde (1870), gibt es päpstliche Dogmen. Dazu gehören die Dogmatisierung der «Unbefleckten Empfängnis Mariens» (1854) und der leiblichen Aufnahme in den Himmel (1950); ziemlich sicher die Definition der moralischen Qualität des Tötens (1995 in Evangelium vitae) und die Entscheidung, das Sakrament der Priesterweihe nur Männern gültig zu spenden (1994 in Ordinatio Sacerdotalis).

Wie erkennt man ein Dogma?

Ein Lehrsatz aus einem Konzilstext, einer päpstlichen Verlautbarung oder eines sonstigen Lehrschreibens muss spürbar in der Absicht formuliert werden, eine Lehre endgültig zu definieren. Deshalb entstehen Dogmenformulierungen meist in Zeiten von großen theologischen Diskussionen oder Konflikten.
Bei Konzilstexten spielt dabei die Formulierung anathema sit eine wichtige Rolle, die einem Lehrsatz angefügt wird und sinngemäß bedeutet: «Wer anderes behauptet, der sei ausgeschlossen». Aber auch ohne diese Formulierung kann sich ein Lehrsatz direkt oder erst im Laufe der Zeit als Dogma entpuppen; manchmal zeigt sich mit der Zeit, dass auch Lehrsätze mit einem anathema doch keinen hohen Verbindlichkeitsgrad haben.
Der Papst markiert einen Lehrsatz eher dadurch, dass er «als Nachfolger des Heiligen Petrus» spricht, in der Absicht «eine Lehre ein für alle Mal als gesichert zu definieren» und mit der Schlussformel, dass «alle sich daran zu halten haben».

Außerhalb einer theologischen Streitsituation hat der Papst nur die beiden Mariendogmen (Unbefleckte Empfängnis und leibliche Aufnahme in den Himmel) verkündet. Deshalb nennt man diese Festlegungen auch latreutische Dogmen, da diese zum Lobe Mariens (latreutisch) verkündet wurden.

Die Theologie kann kein Dogma erlassen oder aufheben. Allerdings kann sie prüfen, ob die Kriterien für eine unfehlbare Lehraussage der Kirche gegeben sind: Nämlich, dass dieser Inhalt von der Kirche zu allen Zeit geglaubt wurde oder zumindest zu einer Zeit von der ganzen Kirche. Oder ob ein Lehrsatz dem definierten Glauben der Kirche widerspricht - oder sich umgekehrt notwendig aus diesem ergibt. Somit braucht auch ein verkündetes eine gewisse Zeit, bis es als solche erkannt und anerkannt wird.

Zudem ist wichtig, dass es verschiedene Gewissheitsgrade gibt. Eine absolut verlässliche Lehraussage wird als de fide bezeichnet. Nach fides ecclesiastica gibt es zahlreiche weitere Abstufungen über die nur erlaubte Meinung sententia probabilis bis hin zur nicht empfohlenen, aber tolerierten sententia tolerata.

Vor allem Konzilsbeschlüsse entfalten ihre dogmatische Wirkung oft erst durch die weitere Entwicklung in der Kirche. Der Papst ist dagegen ex sese unfehlbar, d. h. er kann ein Dogma auch ohne Konzil oder Befragung der Bischöfe verkünden. Dafür ist aber die Deutlichkeit der Formulierung notwendig und (falls es daran fehlt) nachfolgende Bestätigungen (z. B. durch spätere Päpste oder das Glaubensdikasterium).

Was beinhaltet ein Dogma?

Dogmen sind nur unfehlbar in Bezug auf Glaubensfragen oder Fragen der christlichen Moral. Weder der Papst noch ein Konzil können politische Fragen oder rechtliche Konflikte durch unfehlbaren Lehrentscheid klären; das gleiche gilt auch für naturwissenschaftliche, technische oder praktische Fragen. Allerdings kann es sein, dass mit diesen Fragen doch theologische oder moralische Wahrheiten berührt werden (zum Beispiel bei der Frage nach der Abtreibung oder einem Kriegsbeginn)!

2. Wie Sakramente entstehen

Ich will hier nicht der Frage nachgehen, wie es historisch zu den Sakramenten kam. Denn während die Zahl der Dogmen nicht begrenzt und abgeschlossen ist, gilt das schon für die Sakramente, deren Zahl auf sieben festgelegt ist. Deshalb müssen wir auch nicht die Kriterien im Einzelnen kennen, die bei der Prüfung eines achten Sakramentes angewandt werden müssten - dazu wird es nicht kommen.

Nur soviel sei erwähnt: Von allen Sakramenten wissen wir, dass sie von Jesus direkt eingesetzt oder aber von den Aposteln gespendet wurden. Alle anerkannten Sakramente bestehen zudem aus äußeren Zeichen und Worten und einer inneren Heils-Wirkung, die Gott dort hineingelegt hat.

Deshalb kann die Kirche auch kein neues Sakrament erfinden: Gott kann nicht durch Beschluss der Kirche gezwungen werden, sich an neue Zeichen und Worte zu binden. Wir können nur erkennen, dass Gott dies in Freiheit und Liebe getan hat - mehr nicht. Da die Offenbarung aber mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen ist, sind auch keine weiteren Sakramente mehr zu erwarten.
Form und Materie...

Jedes Sakrament besteht aus einer äußeren, sichtbaren und erfahrbaren Hülle, die ein unsichtbares, geistiges Wirken Gottes vermittelt.

Die Hülle - also das Sichtbare - besteht wiederum aus der sogenannten Materie und der Form. Mit Materie ist zumeist wirklich etwas Anfassbares wie Wasser oder Öl gemeint. Dazu kann aber auch eine menschliche Regung gehören (wie z. B. beim Ehesakrament der Konsens der Eheleute oder bei der Beichte die Reue). Zur Materie kommt die Form, die aus dem gesprochenen Wort besteht: «Ich taufe dich...» - «Ich spreche dich los...» - «Ich nehme dich an als meinen Mann / meine Frau...».

Beide Elemente - die Form und die Materie - werden von der Kirche festgelegt. Das erscheint manchmal kleinlich und noch irgendwie im magischen Denken verhaftet.

So ist es zum Beispiel nicht erlaubt (und nicht gültig) ein Kind auf «Den Schöpfer, Erlöser und Befreier» zu taufen. Es muss «Vater, Sohn und Heiliger Geist» heißen. Auch eine Messfeier mit Hostien aus Maismehl ist nicht erlaubt (und nicht gültig), es muss unbedingt Weizenmehl sein. Das klingt für einige Kritiker schon sehr kleinlich.

Aber dass die Kirche für die Sakramente klare Vorgaben macht, ist keine Machtherrlichkeit, sondern die Wahrung der Garantie göttlichen Wirkens. ähnlich wie bei den Dogmen geht es ja darum definitiv zu wissen, dass hier Gott verlässlich wirkt. Dafür braucht es klare Grenzen, die die Kirche (wie gesagt) möglichst weit zieht und die Schwelle zur Ungültigkeit möglichst niedrig hält. Aber ganz ohne klare Regelungen geht es leider nicht.

Wer ein bloßes Gedächtnismahl abhalten will, braucht solche definierten Grenzen nicht. Wer mag, kann ein solches Gedenken auch mit Currywurst und Cola feiern (man sagt, dass das bei den Jesus-Freaks vorkommt). Wer nur einen einfachen Bußgottesdienst feiern möchte, braucht ebenfalls keinen Priester und keine Lossprechungsformel.
Aber immer dann, wenn es beim Sakramentenempfang darum geht, dem Herrn wirklich und tatsächlich zu begegnen, sollten wir uns an das halten, was die Kirche als äußere Kennzeichen vorgibt.

Dass es dabei eben nicht um Magie geht, wird dadurch deutlich, dass es für die Form der Sakramente übersetzungen gibt. So gibt es auch (mindestens) vier verschiedene Hochgebete und zwei Vermählungsformen. Die sakramentalen Worte sind eben keine magischen Formeln, die allein deshalb etwas bewirken, weil sie ausgesprochen werden (dann müsste man wie bei Zauberbüchern die Original-Sprache erlernen und dürfte keinen Buchstaben vergessen). Vielmehr sind es die Inhalte, in vorgegebene Worte gekleidet, die aus einem alltäglichen Zeichen ein Sakrament werden lassen.

...und die Intention

Noch deutlicher grenzen wir uns aber von jedem magischem Verständnis ab, indem wir (neben der richtigen Form und der erlaubten Materie) auch noch Wert auf die richtige Intention legen. Magische Worte wirken immer, sobald sie ausgesprochen werden. Selbst wenn man eventuell gar keine Magie freisetzen wollte.

Ein Sakrament kommt dagegen nur dann zustande, wenn der Spender auch beabsichtigt hat, ein solches zu spenden (das nennen wir die richtige Intention). Wer also eine Taufe nur im Theater spielt oder beim üben im Priesterseminar die Wandlungsworte spricht, will kein Sakrament spenden und tut es also auch nicht.

Manchmal wird unter richtiger Intention noch mehr verstanden: Nämlich, dass der Priester auch den rechten Glauben mitbringen müsse. Das ist (ich sage es ganz ausdrücklich) nicht damit gemeint. Sogar ein Muslim, der die Taufe spendet, kann dies ohne jeden christlichen Glauben tun. Allein die Absicht, jetzt das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie ein Sakrament spendet, reicht.
Berechtigter Spender, gläubiger Empfänger

Allerdings kann nicht jeder jedes Sakrament spenden. Zur Gültigkeit gehört auch noch der rechte Spender. Ein Laie, der eine Priesterweihe vollzieht, simuliert nur eine Weihe - ohne göttliche Wirkung.
Dabei sind die zuständigen Spender recht großzügig geregelt: Taufen kann jeder (selbst Ungetaufte, Nicht-Christen und Atheisten), das Ehesakrament spenden sich die Eheleute gegenseitig (dazu sollten sie getauft und unverheiratet sein). Die Eucharistie (die hl. Messe) erfordert einen Priester, ebenso alle Sakramente, die mit einer Sündenvergebung zusammenhängen (wie die Beichte und die Krankensalbung). Die Firmung spendet zumeist der Bischof - das kann aber auch ein Priester im Auftrag eines Bischofs. Nur die Weihe (also die Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe) kann allein von einem Bischof gespendet werden, Eine Beauftragung eines Nicht-Bischofs zur Weihe ist nicht möglich. (Eine Bischofsweihe erfordert sogar drei weihende Bischöfe).

Auch der Empfänger sollte gewisse Voraussetzungen mitbringen. An einigen Bestimmungen hängt sogar die Gültigkeit (zwei Grundschüler können niemals einander gültig heiraten), andere sind nur wichtig, damit das Sakrament beim Empfänger auch fruchtbringend ankommt. Ein Sakrament sollte ja nicht nur erlaubt und gültig sein, sondern helfen, heiligen und erheben.
Die Taufe kann wiederum jeder empfangen (außer natürlich bereits Getaufte), auch Kleinkinder und Frühgeburten, Sterbende und Bewusstlose. - Für die Krankensalbung muss man zumindest getauft sein. - Für den Empfang der Firmung, der Ehe und Weihe gilt zudem ein Mindestalter, für die Zulassung zur Eucharistie und Beichte sollte man das Unterscheidungsalter (ab 6 Jahre) erreicht haben.
Auf weitere, detaillierte Hinweise verzichte ich hier: Du findest sie in den einzelnen Katechesen zu den jeweiligen Sakramenten.

3. Wie man heilig gesprochen wird

Von evangelikaler Seite wird das ganze katholische Konzept der Heiligen abgelehnt. Was eigentlich seltsam ist, denn dabei handelt es sich um etwas ganz Einfaches und christlich-Selbstverständliches: Gott ist ein Gott der Beziehungen. Deshalb erhält und schützt er auch unsere Liebe zueinander. Auch über den Tod hinaus. Alles andere entspreche nicht unserem Gottesbild. Das schließt auch ein, dass Oma auch mit uns in Verbindung bleibt. Gott ermöglicht dies - so lange, wie es jemand auf der Erde gibt, der eine Verbindung zu ihr sucht. Falls Oma irgendwann alle ihre Lieben im Jenseits um sich hat, wäre ein Erhalt dieser Verbindung von Jenseits und Diesseits nicht mehr nötig.

Es gibt aber Menschen, die auch ganz unabhängig von ihren persönlichen Beziehungen, die sie zu irdischen Lebzeiten geknüpft hatten, angerufen und verehrt werden. Warum sollte Gott, der doch Garant der Liebe ist, solche Beziehungen unterbinden?

Verehrung der Verstorbenen - Wirken durch Liebe

Wenn Verstorbene über ihren Tod hinaus eine bleibende Verehrung erfahren, kommt manchmal die Bitte auf, diese Verehrung auch durch die Kirche offiziell zu erlauben und zu tragen. Die Kirche prüft daraufhin den Mann oder die Frau, deren Verehrung offiziell werden soll.
Diese Prüfung nennen wir Selig- und Heiligsprechungsverfahren (weil eine Erlaubnis zur Verehrung in zwei Stufen gewährt werden kann). Ein solches Verfahren kommt nur zustande, wenn der Antrag auf öffentliche, erlaubte und liturgische Verehrung gestellt wird. Geprüft wird dabei vor allem, ob der Heiligsprechungskandidat vorbildhaft gelebt hat und eine gesunde Verehrung erfährt.

Heiligsprechungsprozesse

Heilige sind Menschen und haben Fehler. Sie sind Heilige und Sünder zugleich. Deshalb wird auch mit einer Heiligsprechung nicht alles gut, was im Leben dieser Person geschehen ist. Eine Heiligsprechung prüft also die guten Seiten des Kandidaten und forscht, ob es so schwere Verfehlungen gibt, dass eine Heiligsprechung unmöglich wird. Nach Abschluss einer solchen Prüfung wird der «außerordentliche Tugendgrad» des Kandidaten festgestellt. Bis dahin nennt man diese Phase der Heiligsprechung den «Tugendprozess».
Daran schließt sich der «Wunderprozess» an. Darin wird gefragt, ob es ein übernatürlichen Zeichen gibt, dass den Schluss nahelegt, dass der Kandidat bei Gott ist.

Ein weit verbreitetes Missverständnis behauptet, die Kirche würde nach einem Wunder suchen, dass der Kandidat selbst bewirkt hat. Aber das stimmt nicht: Das Wunder muss nach dem Tod des Kandidaten geschehen sein, aber auf dessen Fürsprache.
Märtyrer

Sollte ein Mann oder eine Frau für den Glauben den Tod erlitten haben, entfällt der Wunderprozess. Ein Märtyrer ist in dem Augenblick ein Heiliger, in dem die Echtheit eines Martyriums anerkannt wird.
Zur Echtheit gehört dazu, dass der Kandidat das Martyrium nicht heimlich gesucht oder geschickt selbst herbeigeführt hat; dass er seinen Feinden verzeiht und sie nicht verflucht; dass er nicht zugleich wegen einer Verfehlung oder Sünde verurteilt wurde oder nicht deshalb den Tod erlitt, weil er Christ war (wenn er aus anderen Gründen getötet wurde, beispielsweise bei einem Raubüberfall).

Deshalb war auch der Hl. Maximilian Kolbe zunächst nicht als Märtyrer anerkannt worden. Er wurde nämlich nicht wegen seines Glaubens, sondern als freiwilliger Ersatz für einen verzweifelten Familienvater in den Hungerbunker gesteckt. Johannes Paul II. hat ihn deshalb als «Märtyrer der Nächstenliebe» bezeichnet.
Der erste Märtyrer der Christenheit war der heilige Stephanus, der von Juden gesteinigt wurde (Apg 7,54-60).
Als Märtyrer gelten auch noch nicht Getaufte, die aufgrund ihres Glaubens oder ihres Taufwunsches verfolgt wurden. Ein besonderer Fall sind die Unschuldigen Kinder von Bethlehem, die als Märtyrer verehrt werden, obwohl sie sich nicht persönlich zu Gott bekennen konnten.
ähnlich verhält es sich bei der Seligsprechung einer ganzen polnischen Familie, die im Zweiten Weltkrieg Juden vor dem Tod bewahrte. Dafür wurden sie nach einem Verrat von den Nazis erschossen. 2023 wurden alle Mitglieder der Familie Ulma (der Vater Jozef, die im siebten Monat schwangere Mutter Wiktoria sowie ihre sechs Kinder) seliggesprochen. Zu den Seligen zählt ausdrücklich auch das ungeborene Kind.
Selige und Heilige - begrenzte Erlaubnis und unbegrenzte Empfehlung

Es hat sich herumgesprochen, dass es im Himmel eine Vier-Klassen-Gesellschaft geben soll: Das normale Fußvolk (wie du und ich), darüber die Seligen, darüber die Heiligen und ganz oben Maria als «allerseligste Jungfrau». Was natürlich Unsinn ist.
Dieser Unsinn ist durch die zwei Stufen der Kanonisation (Verfahren zur Heiligsprechung) entstanden. Tatsächlich wird nach der Feststellung des «heroischen Tugendgrades» (im Tugendprozess) der sich anschließende erste Wunderprozess mit einer Seligsprechung abgeschlossen. Sollte sich daran ein Heiligsprechungsverfahren anschließen, wird ein zweiter Wunderprozess eröffnet. Darin müsste ein zweites Wunder anerkannt werden.
Der Unterschied zwischen Selig- und Heiligsprechung liegt aber nicht in einer irgendwie gearteten Abstufung im Himmel, sondern bezieht sich allein und ausschließlich auf unsere irdische Existenz: Nach einer Seligsprechung darf der (oder die) neue Selige in einem begrenzten Bereich liturgisch verehrt werden. Zum Beispiel innerhalb eines Bistums oder einer Ordensgemeinschaft. Es handelt sich bei der Seligsprechung also um eine lokal begrenzte Erlaubnis der Verehrung.
Nach einer Heiligsprechung wird die Verehrung nicht nur auf die ganze Weltkirche ausgedehnt, sondern aus einer Erlaubnis wird zudem eine Empfehlung. Deshalb wird bei einem zweiten Wunder (nach der Seligsprechung) auch nicht automatisch eine Heiligsprechung eingeleitet; vielmehr sollte das Leben und Wirken des (oder der) neuen Heiligen auch eine Bedeutung für die ganze Kirche haben.

Dass Maria (und in nicht-deutschsprachigen Ländern auch ihr Bräutigam Josef) ebenfalls als selig bezeichnet werden, ist keine Herabwürdigung im Gegensatz zu den Heiligen. Im Gegenteil: Weil in biblischen Zeit alle aufrechten Christen als Heilige bezeichnet wurden, erhielt Maria (und Josef) in Abgrenzung dazu den Ehrentitel der «seligsten Jungfrau Maria» (und ihr Bräutigam den des «seligen Josef»).
Dass im biblischen Sprachgebrauch die Christen insgesamt als Heilige angeredet wurden (die Briefe des Paulus an die Römer richten sich zum Beispiel an «die Heiligen von Rom»), ist keine vorzeitige Heiligsprechung. Als «Heilige» wurden alle die angesehen, die durch die Taufe zu Christus gehörten.

Den Unterschied zwischen den Selig- und Heiliggesprochenen gibt es nur hier auf der Erde. Im Himmel sind wir alle Heilige, ganz ohne Klassengesellschaft. Da ist einfach jeder Klasse!

Nachtrag für unsere Freunde im Protestantismus
...und die Bibel?

Es ist allgemein bekannt, dass der Protestantismus gegenüber der päpstlichen Unfehlbarkeit skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Das gleiche gilt für die Heiligenverehrung - wenn auch aus anderen Gründen.

Dass es in den evangelischen Konfessionen keine Heiligenverehrung gibt, liegt weniger an der Ablehnung der Heiligsprechung, sondern eher an der Betonung der «Rechtfertigung allein aus Gnade» und der damit verbundenen Ablehnung jeder «Werkgerechtigkeit». Heilige sollte man also nicht besonders hoch schätzen - letztlich sei ihr vorbildhaftes Wirken ja doch nur ein Geschenk der Gnade Gottes.
Damit geht die Betonung des «solus Christus» einher, also der Konzentration allein auf die Verehrung und Anbetung Gottes. Alle anderen Formen von Heiligkeit (heilige Menschen, heilige Orte, heilige Zeiten und Zeichen) werden als Beeinträchtigung der Hoheit Gottes gedeutet.

Auch die definitive Vermittlung von Heil durch die Sakramente wird im Protestantismus kritisch gesehen - weshalb zahlreiche Sakramente nicht mehr gepflegt und schließlich abgeschafft wurden. Je nach Konfession sind selbst die noch verbliebenden beiden Sakramente (die Taufe und das Abendmahl) oft nur noch Zeichen ohne wirkliche Heilsrelevanz.
Als einzig sicherer Zugang zu Gott gilt die Bibel (sola scriptura - «allein die Heilige Schrift!») - und ausgerechnet die kommt in dieser Katechese nicht vor. Ist das nicht wenig ökumenisch?!

Die Bibel und die Dogmen

Das Argument wäre durchaus berechtigt - wenn die Wahrnehmung stimmen würde. Aber die Bibel kommt als sicherer Zugang zu Gottes Offenbarung durchaus vor: Sie bildet (zusammen mit der lebendigen überlieferten Glaubensweitergabe) die Grundlage für alle Dogmen.
Die Bibel selbst ist keine dogmatische Schrift, das wissen auch unsere protestantischen Freunde. Aber mit den evangelischen Mitchristen glauben auch wir Katholiken, dass Gottes Geist im Lesen und Verstehen der Bibel wirkt. Während die Protestanten diesen Beistand einem jeden gläubigen Christen uneingeschränkt zugestehen, sieht die katholische Kirche nur die Gemeinschaft aller Gläubigen als rechtmäßige Interpretin der Heiligen Schrift. Auf diese beziehen sich die Konzilien und die Päpste, wenn sie daraus schöpfen und einzelne Offenbarungswahrheiten als sicher markieren.

Die Bibel und die Sakramente

Die Bibel ist auch Garant der Sakramente. Wie bereits erwähnt, gelten nur die Zeichenhandlungen als Sakramente, die biblisch belegt von Jesus (oder den Aposteln) stammen. Manche lassen sich sogar direkt auf eine Anweisung Jesu zurückführen («Tut dies zu meinem Gedächtnis!»).
Da auch wir Katholiken die Bibel als Grundlage unseres Glaubens haben, fühlen wir uns dementsprechend verpflichtet, den Anweisungen Jesu oder der Apostel Folge zu leisten. (So folgt die Krankensalbung aus einer Anweisung des Apostels Jakobus). Dadurch garantiert die Heilige Schrift die bleibende Wirksamkeit Jesu durch die Zeiten.

Die Bibel und die Heiligen

Und auch die Heiligenverehrung der katholischen Kirche ist urbiblisch. Nicht nur, weil sie eine Fortführung der Engelverehrung des Alten Testamentes ist oder sich zu einem großen Teil auf biblische Personen bezieht, die auch schon (wie Abraham, Mose und David) zu biblischen Zeiten verehrt wurden. Mehr noch: Die katholische Heiligenverehrung setzt die biblische Tradition im Geiste Jesu fort. Denn (wie bereits gesagt) die Bibel ist keine Sammlung von Lehrsätzen, sondern ein Bündel von Gotteserfahrungen durch die unterschiedlichsten Menschen. Die Bibel ist ein Buch der Geschichten, in denen Menschen Gott begegnen; durch diese Geschichten spricht auch Gott zu uns und tritt mit uns in Verbindung.
Nichts anderes geschieht in der Heiligenverehrung der Kirche. Dort werden die Geschichten von Menschen erzählt, die Gott erfahren haben. Geschichten von Auseinandersetzungen mit Gott, voller Wunder, Bekehrungen, Leid und Freude. Geschichten von göttlichem Beistand, prophetischem Wirken und historischem Anspruch. Nichts anderes als auch in der Bibel steht.
Im Unterschied zur Bibel wird der Wortlaut der Heiligengeschichten nicht als göttlich inspiriert bezeichnet. Auch nicht die prophetischen Deutungen oder historischen Einschätzungen durch die Heiligen. Aber das, was in und hinter diesen Geschichten lebendig ist, ist Gott. Der gleiche Gott, der auch in der Bibel erlebt wurde. Und den wir in den Heiligen erkennen und verehren.
Eine spanische Nonne schrieb vor 700 Jahren: «Wir sind die einzige Bibel, die die Menschen heute noch lesen. Wir sind Gottes Botschaft in Taten und Worten geschrieben. Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.» Die Heiligen sind keine Konkurrenz für die Bibel, sondern ihre lebendige Anwesenheit in unserer Zeit.